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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Siehe da! die heilige Not drängt den Dichter: – er zerteilt die Morgennebel, und auf sein Geheiß steigt leuchtend die Sonne über die Stadt herauf, die nun dem Siege der Begeisterten geweiht ist.
    Hier ist die Blüte der allmächtigen Kunst, und diese Wunder schafft nur die dramatische Kunst.
    Allein nach solchem Wunder, das nur der Begeisterung des dramatischen Dichters entblühen und durch eine liebevoll aus dem Leben selbst aufgenommene Erscheinung ihm ermöglicht werden kann, verlangt es den Opernkomponisten nicht: er will die Wirkung , nicht aber die Ursache , die eben nicht in seiner Macht liegt. In einer Hauptszene des »Propheten« von Meyerbeer, die im Äußerlichen der soeben geschilderten gleich ist, erhalten wir die rein sinnliche Wirkung einer dem Volksgesange abgelauschten, zu rauschender Fülle gesteigerten, hymnenartigen Melodie für das Ohr, und für das Auge die einer Sonne, in der wir ganz und gar nichts anderes als ein Meisterstück der Mechanik zu erkennen haben. Der Gegenstand, der von jener Melodie nur erwärmt, von dieser Sonne nur beschienen werden sollte, der hochbegeisterte Held , der sich aus innerster Entzückung in jene Melodie ergießen mußte und nach dem Gebote der drängenden Notwendigkeit seiner Situation das Erscheinen dieser Sonne hervorrief – der rechtfertigende, bedingende Kern der ganzen üppigen dramatischen Frucht – ist gar nicht vorhanden ; [Fußnote: Mir kann entgegnet werden: »Deinen glorreichen Volkshelden haben wir nicht gewollt; der ist überhaupt nur eine nachträgliche Ausgeburt deiner revolutionären Privatphantasie: dagegen haben wir einen unglücklichen jungen Menschen darstellen wollen, der, durch üble Erfahrungen verbittert und von betrügerischen Volksaufwieglern verführt, sich zu Verbrechen hinreißen läßt, die er später durch eine aufrichtige Reue wieder sühnt.« Ich frage nun nach der Bedeutung des Sonneneffektes, und man könnte mir noch antworten: »Das ist ganz nach der Natur gezeichnet; warum soll nicht frühmorgens die Sonne aufgehen?« Das wäre nun zwar eine sehr praktische Entschuldigung für einen unwillkürlichen Sonnenaufgang; dennoch aber müßte ich darauf beharren, euch wäre diese Sonne nicht so unversehens eingefallen, wenn euch eine Situation, wie die vorhin von mir angedeutete, doch in Wahrheit nicht vorgeschwebt hätte: die Situation selbst behagte euch allerdings nicht, wohl aber beabsichtigtet ihr ihre Wirkung. ] statt seiner fungiert ein. charakteristisch kostümierter Tenorsänger, dem Meyerbeer durch seinen dichterischen Privatsekretär, Scribe, aufgegeben hat, so schön wie möglich zu singen und dabei etwas kommunistisch zu gebaren, damit die Leute zugleich auch etwas Pikantes zu denken hätten. Der Held, von dem wir vorhin sprachen, ist ein armer Teufel, der aus Schwachheit die Rolle eines Betrügers übernommen hat und schließlich auf das kläglichste – nicht etwa einen Irrtum, eine fanatische Verblendung, der zur Not noch eine Sonne hätte scheinen können, sondern – seine Schwäche und Lügenhaftigkeit bereut.
    Welche Rücksichten zusammengewirkt haben, um solch unwürdigen Gegenstand unter dem Titel eines »Propheten« zur Welt zu fördern, wollen wir hier ununtersucht lassen; es genüge uns, das Ergebnis zu betrachten, das wahrlich lehrreich genug ist. Zunächst ersehen wir in diesem Beispiele die vollkommene sittliche und künstlerische Verunehrlichung des Dichters, an dem, wer es mit dem Komponisten am besten meint, kein gutes Haar mehr finden darf: also – die dichterische Absicht soll uns nicht im mindesten mehr einnehmen, im Gegenteil, sie soll uns anwidern. Der Darsteller soll uns ganz nur noch als kostümierter Sänger interessieren, und dies kann er in der genannten Szene nur durch das Singen jener bezeichneten Melodie, die demnach ganz für sich – als Melodie – Wirkung macht. Die Sonne kann und soll daher ebenfalls nur ganz für sich wirken, nämlich als auf dem Theater ermöglichte Nachahmung der wirklichen Sonne: der Grund ihrer Wirkung fällt somit nicht in das Drama, sondern in die reine Mechanik zurück, die im Momente der Erscheinung der Sonne einzig zu denken gibt: denn wie würde der Komponist erschrecken, wollte man diese Erscheinung etwa gar als eine beabsichtigte Verklärung des Helden, als Streiters für die Menschheit, auffassen! Im Gegenteil, ihm und seinem Publikum muß alles daran liegen, von solchen Gedanken abzulenken und alle Aufmerksamkeit allein auf das Meisterstück der

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