Operation Amazonas
Lösung hatte die ganze Zeit über unmittelbar vor seinen Augen gelegen. Selbst die Handabdrücke an den Wänden ähnelten denen des Ban-ali-Symbols, die die Doppelhelix beschützten, die für die Wurzel stand.
Anna holte eine Taschenlampe hervor. Nate klopfte auf seine Feldjacke, stellte jedoch fest, dass die Tasche leer war. Offenbar hatte er seine Taschenlampe verloren. Anna reichte ihm ihre und bedeutete ihm voranzugehen.
Nate näherte sich dem Eingang. Der Moschusduft des Baums schlug ihm entgegen, feucht und dumpfig, wie aus einer Gruft. Nate wappnete sich und trat durch die Öffnung.
18
DIE LETZTE STUNDE
19.01 Uhr
Amazonas-Dschungel
Als Louis’ Gruppe rastete, sah er auf die Uhr. In einer Stunde würde die Explosion das obere Tal in einen tosenden Feuersturm verwandeln. Er konzentrierte sich auf den vor ihnen ausgebreiteten Sumpfsee. Die untergehende Sonne verwandelte das Wasser in mattes Silber.
Sie kamen gut voran. Wenn sie den Sumpf im Süden umgingen, dort, wo dichter Dschungel lag und es zahlreiche Wasserläufe gab, würden sie den Rangern mühelos entwischen. Daran hatte er nicht den geringsten Zweifel.
Er seufzte zufrieden, jedoch nicht ohne einen Anflug von Enttäuschung. Von jetzt an gab es keine Probleme mehr. Nach einer erfolgreichen Mission fühlte er sich immer so. Wohl so etwas Ähnliches wie postkoitale Depression. Er würde erheblich reicher sein, wenn er nach Französisch-Guayana zurückkehrte, doch Geld vermochte die Aufregungen der letzten Tage nicht aufzuwiegen.
»C’est la vie«, sagte er. Die nächste Mission kommt bestimmt.
Als hinter ihm Stimmenlärm ertönte, drehte er sich um.
Kelly wurde von zwei Männern auf die Knie niedergedrückt. Ein dritter Mann wälzte sich ein paar Meter entfernt fluchend am Boden und presste sich die Hände zwischen die Beine.
Louis ging hinüber, doch Mask war bereits herbeigeeilt.
»Was ist hier los?«, fragte Louis.
Mask zeigte auf den Mann am Boden. »Pedro hat ihr unters Hemd gelangt, und da hat sie ihm das Knie in den Unterleib gerammt.«
Louis lächelte anerkennend, die Hand auf den Ochsenziemer an seiner Hüfte gelegt.
Er schlenderte zur knienden Kelly hinüber. Einer der Männer hatte ihr in die Haare gegriffen und den Kopf zurückgebogen, sodass der lange Hals entblößt war. Auf die verbalen Zudringlichkeiten der beiden Männer reagierte sie mit einem Fauchen.
»Lasst sie aufstehen«, sagte Louis.
Die Männer wagten nicht, sich zu widersetzen. Kelly wurde hochgerissen.
Louis nahm den Hut ab. »Ich entschuldige mich für die Grobheit meiner Männer. Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich Ihnen.«
Weitere Männer kamen hinzu.
Kelly schäumte. »Beim nächsten Mal trete ich dem Schwein die Eier in den Bauch.«
»Na schön.« Louis winkte seine Männer fort. »Aber für die Bestrafung bin ich zuständig.« Er tippte auf den Ochsenziemer. Er hatte die Frau bereits einmal geschlagen, um ihr eine Lektion zu erteilen. Jetzt war eine weitere Lektion fällig.
Er drehte sich um und holte mit der Peitsche aus, spaltete das Zwielicht mit einem lauten Knall.
Pedro schrie auf und fasste sich ans linke Auge. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor.
Louis wandte sich an die anderen Männer. »Niemand vergreift sich an den Gefangenen. Ist das klar?«
Zustimmendes Gemurmel und eifriges Kopfnicken.
Louis steckte die Peitsche wieder in die Gürtelschlaufe. »Kümmert euch um Pedros Auge.«
Als er sich wieder umdrehte, stand Tshui bei Kelly, die Hand zur Wange der Frau erhoben.
Er bemerkte, wie sie sich eine Strähne von Kellys kastanienrotem Haar um den Finger wickelte.
Ah, dachte Louis, das rote Haar. Eine einzigartige Trophäe für Tshuis Sammlung.
19.05 Uhr
Im Schein der Taschenlampe sah Nate, dass der Gang hinter der mit Handabdrücken verzierten Tür dem Haupttunnel ähnelte, bloß zeigte die Oberfläche eine gröbere Maserung. Feuchter, schwerer Moschusgeruch hüllte ihn ein.
Zusammen mit Dakii bildete er die Spitze, hinter ihnen kamen Anna und Kouwe. Der Gang verengte sich rasch, schraubte sich in immer engeren Windungen in die Tiefe, sodass die Gruppe immer mehr zusammenrückte.
»Wir befinden uns anscheinend innerhalb der Pfahlwurzel«, murmelte Nate.
»Und es geht noch tiefer hinab«, bemerkte Kouwe.
Nate nickte. Nach einigen weiteren Windungen trat der Tunnel aus der holzigen Wurzel hinaus. Der Boden bestand jetzt aus Fels, vermischt mit Lehmflecken. Der Gang führte noch immer steil in die Tiefe. Mittlerweile lief er
Weitere Kostenlose Bücher