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Operation Amazonas

Titel: Operation Amazonas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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sondern um diesem perversen Labor als Probe zu dienen.
»Mit seiner weißen Haut und seinem seltsamen Gebaren war dein Vater einzigartig«, meinte Kouwe leise. »Die Ban-ali beziehungsweise die Yagga wollten auf sein genetisches Erbe gewiss nicht verzichten.«
Nate wandte sich Dakii zu. Vor Bestürzung konnte er kaum sprechen. »Mein … mein Vater. Weißt du, wo er ist?«
Dakii nickte und hob beide Arme. »Er bei Wurzel.«
»Ja, aber wo?« Nate zeigte in die nächste Kammer, in der sich ein eingesponnenes schwarzes Faultier befand. »In welchem Raum?«
Dakii blickte sich stirnrunzelnd im Labyrinth der Gänge um.
Nate hielt den Atem an. Es musste hier Hunderte von Gängen und zahllose Alkoven geben. Die Zeit reichte nicht aus, sie alle zu durchsuchen, denn die Zeit lief unerbittlich ab. Aber wie konnte er von hier fortgehen im Wissen, dass sich sein Vater hier befand?
Auf einmal schritt Dakii zielstrebig in einen Gang hinein und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
Sie eilten ihm nach, immer tiefer und tiefer in das unterirdische Labyrinth hinein. Nate konnte kaum noch atmen, nicht wegen des Übelkeit erregenden Geruchs, sondern aufgrund seiner wachsenden Erregung. Die ganze Zeit über hatte er keinerlei Hoffnung mehr gehabt, sein Vater könnte noch am Leben sein. Aber jetzt … Er schwankte zwischen Hoffnung und Verzweiflung, der Panik nahe. Was würde er finden?
An einer Kreuzung blieb Dakii stehen, dann betrat er den linken Gang. Nach zwei Schritten schüttelte er den Kopf, machte wieder kehrt und wählte die rechte Abzweigung. Ein Schrei baute sich in Nates Brust auf.
Dakiii murmelte im Gehen halblaut vor sich hin. Schließlich blieb er neben einer großen Kammer stehen und hob den Arm. »Vater.«
Nate riss Anna die Taschenlampe aus der Hand. Er sank auf die Knie nieder und leuchtete in die Kammer hinein, ohne sich an den Wurzelhaaren zu stören, die sich um sein Handgelenk wickelten.
Im Wurzelgewirr machte er eine schattenhafte Gestalt aus. Nate schwenkte die Taschenlampe. Wie ein Embryo zusammengekrümmt lag auf dem weichen Lehmboden ein hagerer, nackter Weißer. Ein dichter Bart bedeckte sein Gesicht, sein Haar war mit Wurzeln verwoben. Nate fasste das bärtige Gesicht in den Blick. Er war sich nicht ganz sicher, ob er tatsächlich seinen Vater vor sich hatte.
Plötzlich atmete der Mann mechanisch ein und wieder aus, sodass sich die Wurzelhärchen vor den Lippen bewegten. Er war noch am Leben!
Nate drehte sich um. »Ich muss ihn hier rausschaffen.«
»Ist das Ihr Vater?«, fragte Anna.
»Ich … ich bin mir nicht sicher.« Nate zeigte auf das Knochenmesser, das in Kouwes Gürtel steckte. Der Professor reichte es ihm.
Nate richtete sich auf und hackte auf das Wurzelgewirr ein.
Dakii schrie auf und versuchte ihn aufzuhalten, doch Kouwe verstellte ihm den Weg. »Dakii, nicht! Lass Nate machen.«
Nate kämpfte sich durch die äußeren Wurzelstränge hindurch. Sie erinnerten an die Schale einer Nuss. Unter dieser Schicht befand sich ein feineres Gewebe aus Wurzeln und feinen Haaren.
Als er durch war, sah Nate, dass die Wurzeln den Körper des Mannes wie weiches Erdreich durchdrangen. Auf diese Weise hielt die Yagga die verschiedenen Spezies am Leben, stabilisierte den Kreislauf und führte ihm Nährstoffe zu.
Nate zögerte. Würde er dem Mann schaden, ihn womöglich töten, wenn er die Wurzelfortsätze durchtrennte? Wenn dies tatsächlich eine Art Lebenserhaltungssystem war, musste dessen Ablösung dann nicht zum Tode führen?
Nate schüttelte den Kopf und durchtrennte die Wurzeln. Er musste das Risiko eingehen. Sich selbst überlassen würde der Mann einen grausamen Tod sterben.
Als der Körper von den Wurzelhaaren befreit war, warf Nate das Messer beiseite, packte den Mann bei den Schultern und zog ihn auf den Gang. Die letzten noch anhaftenden Wurzeln lösten sich, gaben ihre Beute frei.
Nate sank neben dem Mann zu Boden. Die nackte Gestalt schnappte hustend nach Luft. Aus dem Körper schlängelten sich zahlreiche Wurzeln und dünne Haare hervor, fielen von ihm ab wie Blutegel. Aus den Öffnungen, in denen größere Wurzeln gestreckt hatten, floss Blut. Auf einmal verkrampfte sich der Mann, krümmte den Rücken, warf den Kopf zurück.
Nate barg ihn hilflos in seinen Armen. Die Krämpfe währten eine volle Minute. Auch Kouwe packte den Mann, um zu verhindern, dass er sich verletzte.
Als der Mann regelmäßig zu atmen begann, entspannte Nate sich ein wenig. Dann flatterten die Lider, und der Mann schaute zu ihm auf.

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