Operation Amazonas
den Früchten der Uncaria tomentosa ähneln. Besser bekannt unter dem Namen Katzenkralle. Die Indianer setzen sie gegen Viren, Bakterien und bisweilen auch Krebserkrankungen ein. Vielleicht hat die Droge dazu beigetragen, dass mein Unbewusstes die richtige Schlussfolgerung gezogen hat.«
»Da könntest du Recht haben«, meinte Kouwe.
Nate entging die Skepsis des Professors nicht. »Was sollte es sonst gewesen sein?«
Kouwe runzelte die Stirn. »Während du bewusstlos warst, habe ich mich mit Dakii unterhalten. Das Ali-ne-Yagga-Pulver wird aus der Wurzel gewonnen. Die Wurzelfasern werden getrocknet und zerrieben.«
»Und weiter?«
»Vielleicht stammte dein Traum ja doch nicht von deinem Unbewussten. Vielleicht handelte es sich ja um eine aufgezeichnete Botschaft des Baums. Sozusagen um eine Gebrauchsanleitung: Iss die Früchte des Baums, und du bleibst gesund. Ein ganz simple Botschaft.«
»Das kann doch unmöglich Ihr Ernst sein.«
»In Anbetracht der Gegebenheiten in diesem Tal – mutierte Tierarten, nachgewachsene Gliedmaßen, Menschensklaven im Dienste einer Pflanze – würde ich das nicht ausschließen wollen.«
Nate schüttelte den Kopf.
Anna runzelte die Stirn. »Der Professor könnte Recht haben. Ich habe keine Ahnung, wie der Baum es anstellt, auf die DNA so vieler verschiedener Lebewesen spezifisch zugeschnittene Prionen zu produzieren. Das allein ist schon ein Wunder. Wie hat er es gelernt? Woher stammt das genetische Material, von dem er es gelernt hat?«
Kouwe schwenkte den Arm. »Die Wurzeln des Baums reichen bis ins Paläozän zurück, als es an Land ausschließlich Pflanzen gab. Seine Vorfahren haben erlebt, wie sich die ersten Landtiere entwickelten, doch anstatt mit ihnen zu konkurrieren, haben sie die neuen Spezies in ihren Lebenszyklus integriert, so wie der Ameisenbaum es heute noch mit den Ameisen tut.«
Der Professor spann seine Theorien weiter, doch Nate hörte nicht mehr zu. Er war noch mit Annas letzter Frage beschäftigt. Woher stammt das genetische Material, von dem er es gelernt hat? Das war eine gute Frage und sie bereitete ihm Kopfzerbrechen. Wie hatte die Yagga gelernt, diese Vielfalt an artenspezifischen Prionen zu produzieren?
Nate vergegenwärtigte sich seinen Traum: Die Tiere und Menschen waren im Baum verschwunden. Wo hatten sie gesteckt? War das vielleicht nicht nur symbolisch gemeint gewesen? Waren sie irgendwo gewesen? Nates Blick wanderte zu Dakii, der vor der Hängematte kniete. Vielleicht war es ein weiterer intuitiver Gedankensprung oder auf die Nachwirkungen der Droge zurückzuführen, jedenfalls ahnte Nate auf einmal, wohin sie gegangen sein könnten.
Ali ne rah. Das Blut der Yagga. Von der Wurzel des Baums.
Nate fasste Dakii in den Blick. Er erinnerte sich daran, wie der Indianer freudigen Herzens vom Tod seines Vaters berichtet hatte. Er nährte die Wurzeln.
Nate trat einen Schritt auf den Indianer zu.
Kouwe hielt inne. »Nate …?«
»Das Puzzle ist noch unvollständig.« Nate wies mit dem Kinn auf Dakii. »Und ich weiß, wer es vervollständigen kann.«
Er stellte sich neben den Indianer. Dakii blickte mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihm auf. Der Tod des Häuptlings hatte ihn schwer getroffen. Er richtete sich mühsam auf.
»Wishwa«, sagte er und neigte den Kopf, womit er anerkannte, dass die Macht nun auf Nate übergegangen war.
»Es tut mir Leid, dass der Häuptling tot ist«, sagte Nate, »aber wir müssen uns unterhalten.« Kouwe trat zu ihnen, um zu dolmetschen, doch mittlerweile verstand Nate es ganz gut, sich mit Yanomami-Brocken verständlich zu machen.
Dakii zeigte auf die Hängematte und wischte sich die Augen trocken. »Sein Name Dakoo.« Er legte dem Toten die flache Hand auf die Brust. »Er mein Vater.«
Nate biss sich auf die Lippen. Eigentlich hätte er es sich denken können. Jetzt fielen ihm auch die Ähnlichkeiten ins Auge. Nate legte Dakii die Hand auf die Schulter. Er wusste, wie es sich anfühlte, den Vater zu verlieren. »Das tut mir aufrichtig Leid«, wiederholte er, diesmal mit noch größerem Mitgefühl.
Dakii nickte. »Ich dir danken.«
»Dein Vater war ein bemerkenswerter Mann. Wir alle werden um ihn trauern, doch im Moment befinden wir uns in ernster Gefahr. Wir brauchen deine Hilfe.«
Dakii neigte den Kopf. »Du Wishwa . Du sagen … ich machen.«
»Du musst mich zu der Stelle führen, wo die Wurzeln des Baums genährt werden.«
Dakiis Kopf ruckte nach oben und sein Gesichtsausdruck spiegelte Angst und Sorge wider.
»Sachte«,
Weitere Kostenlose Bücher