Operation Amazonas
isst, mit einem Fluch beladen. Man könnte eine Parallele zur Yagga ziehen. Als ich Carl in dem Wurzelgewirr sah, musste ich an eine andere biblische Geschichte denken. Im dreizehnten Jahrhundert hatte ein Mönch nach ausgiebigem Fasten eine Vision. Ihm erschien Gott, der ihm schilderte, wie Seth, der Sohn des Adam, in den Garten Eden zurückkehrte. Dort erblickte der junge Mann den Baum der Erkenntnis, der sich in der Zwischenzeit weiß gefärbt hatte. Mit den Wurzeln umfing er Kain, und einige davon waren in seinen Körper eingedrungen.«
Nate runzelte die Stirn.
»Die Parallele liegt auf der Hand«, schloss Kouwe.
Nate schwieg eine Weile, er musste diesen Gedanken erst verarbeiten. Schließlich sagte er: »Da könnte etwas dran sein. Der Tunnel im Stamm der Yagga wurde nicht von Menschen angelegt, sondern ist natürlichen Ursprungs.
Der Baum hat die Gänge im Laufe seines Wachstums ausgebildet. Aber wie konnte er das tun, wenn er noch nie auf Menschen getroffen war und keine Gelegenheit gehabt hatte, diese Merkmale zu entwickeln?«
»So wie sich der Ameisenbaum an seine sechsbeinigen Soldaten angepasst hat«, setzte Kouwe hinzu.
Nates Vater ließ sich vernehmen. »Und die Evolution der Ban-ali, ihre genetische Fortentwicklung«, krächzte Carl. »Hat sich dergleichen auch schon früher ereignet? Hat der Baum womöglich eine entscheidende Rolle bei der Evolution des Menschen gespielt? Hat er deshalb Eingang in unsere Mythen gefunden?«
Kouwe legte die Stirn in Falten. So weit hatte er noch nicht gedacht. Er blickte sich zum Rest der Kolonne um, die von der großen Raubkatze gefolgt wurde. Wenn die Yagga imstande war, die Intelligenz des Jaguars zu steigern, hatte sie dann das Gleiche in der fernen Vergangenheit auch mit dem Menschen getan? Hatten die Menschen ihren Intellekt einem Vorfahren dieses Baums zu verdanken? Ein verstörender Gedanke.
Schweigen senkte sich herab.
Kouwe vergegenwärtigte sich die Geschichte des Tals. Die Yagga war hier gewachsen, hatte jahrhundertelang in ihrem ausgehöhlten Wurzelsystem alle möglichen Spezies gesammelt: Sie hatte die Tiere mit ihrem Moschusduft angelockt, ihnen Unterschlupf gewährt, sie dann eingefangen und in den Kammern verwahrt. Schließlich hatte der Mensch das Tal betreten – ein umherwandernder Stamm der Yanomami – und die Tunnel und die heilsame Wirkung des Baumsafts entdeckt. Auch die Indianer waren mit der gleichen Unabänderlichkeit gefangen worden wie die Tiere und hatten sich allmählich in die Ban-ali verwandelt, die menschlichen Sklaven der Yagga. Seitdem hatten die Ban-ali für den Baum anscheinend weitere Spezies eingefangen und sie der Wurzel dargebracht, um die biologische Datenbank des Baums zu erweitern.
Wo hätte dies alles hingeführt, wenn nichts dazwischengekommen wäre? Zu einer neuen menschlichen Spezies, wie Carl nach der Totgeburt von Gerald Clarks Kind gefürchtet hatte? Oder zu etwas noch Schlimmerem – zu Mischwesen wie den Piranhas und den Heuschrecken?
Kouwe musterte die gewundenen Gänge aus zusammengekniffenen Augen, auf einmal froh darüber, dass dies alles verbrennen würde.
Dakii ließ sich von der Kolonnenspitze vernehmen. Der Indianer zeigte auf einen Nebengang. Ein schwaches Leuchten war darin zu erkennen, und man hörte ein dumpfes Tosen.
»Der Ausgang«, sagte Kouwe.
19.49 Uhr
Nate, der seinen Vater stützte, beeilte sich nach Kräften. Sergeant Kostos ging auf der anderen Seite, fluchte unablässig halblaut vor sich hin und zählte die Minuten bis zur Bombenexplosion.
Es würde knapp werden. Die Gruppe eilte auf die vom Mond erhellte Öffnung zu. Das Tosen wurde lauter und schwoll zu einem ohrenbetäubenden Grollen an. Als hinter einer Biegung der Tunnelausgang sichtbar wurde, erblickten sie die Ursache des Geräuschs. Ein Wasserfall ergoss sich am Eingang vorbei, glitzernd im Mondschein und Sternenlicht.
»Der Tunnel mündet offenbar in der Felswand, die hinunter zum unteren Tal führt«, meinte Kouwe.
Sie folgten Dakii bis zum feuchten Tunnelausgang.
Unmittelbar vor ihnen stürzte der Wasserschwall in die Tiefe.
Der Indianer zeigte nach unten. Stufen. Zwischen Wasserfall und Felswand führte eine steile, nasse, in den Fels gehauene Treppe in engen Serpentinen ins untere Tal.
»Mir nach!«, rief der Sergeant. »Beeilen Sie sich, aber wenn ich rufe, legen Sie sich hin und halten sich fest.«
Dakii blieb mit Sergeant Kostos zurück, um seinen Stammesgefährten den Weg zu weisen.
Kouwe half Nate, dessen
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