Operation Arche - 1
sein könnte.«
»Ich würde mir deswegen nicht zu viele Gedanken machen, Baron«, gab Merlin achselzuckend zurück. »Ich habe gewisse Vorteile, auf die Ihre Ermittler einfach nicht zurückgreifen können. Hätte ich meine Informationen in der gleichen Art und Weise sammeln müssen, wie diese das tun, hätte ich niemals so viel zusammentragen können, wie Ihnen zweifellos bereits bekannt ist.«
»Zweifellos«, sagte Gray Harbor nachdenklich. »Gleichzeitig jedoch, Seijin Merlin, muss ich zugeben, dass ich neugierig bin, wie es kommt, dass Ihr so viele Dinge in und über Charis ›seht‹.« Merlin hob eine Augenbraue, und der Erste Ratgeber zuckte mit den Schultern. »Es erscheint mir … sonderbar, dass einem Seijin aus den Bergen des Lichts derartig detaillierte ›Visionen‹ zuteil werden sollen, so weit von den Tempel-Landen entfernt, dass Ihr sogar in der Lage seid, in Erfahrung zu bringen, wenn einzelne Schankwirte im Dienste von Prinz Hektor stehen.«
Wave Thunder legte die Stirn in Falten, richtete sich in seinem Sessel ein Stück weit auf und blickte zwischen den beiden Männern hin und her. Merlin hingegen lächelte nur mild.
»Das ist nicht so sonderbar, wie Sie vielleicht denken mögen, Mein Lord«, entgegnete er. »Ich vermag zumindest bedingt zu steuern, was genau ich ›sehe‹, wissen Sie?«
»Tatsächlich?« Gray Harbor klang in höflichem Maße skeptisch. »In allen Geschichten, die ich darüber jemals gelesen oder gehört habe, hieß es, die Visionen eines Seijin seien … kryptisch, könnte man wohl sagen. Oder vielleicht: nicht sonderlich deutlich. Doch Eure Visionen, Seijin Merlin, scheinen mir sogar außerordentlich deutlich zu sein.«
»Ich würde annehmen«, sagte Merlin nun, »dass sogar einige dieser ›undeutlichen‹ Visionen in den Geschichten, die Sie dort erwähnen, in Wirklichkeit der Phantasie Einzelner entsprungen sind.« Mit einem belustigten Lächeln auf den Lippen lehnte Merlin sich entspannt in seinem Sessel zurück. »Entweder sie haben niemals tatsächlich stattgefunden, oder sie wurden … nun, ausgeschmückt, könnte man es vielleicht nennen – und zwar von den Leuten, die davon berichtet haben. So sehr es mich schmerzt, das zugeben zu müssen, aber ich bin mir recht sicher, dass mehr als nur einige ›Seijin‹ in Wirklichkeit kaum mehr als gewöhnliche Scharlatane waren. Und in einem solchen Falle könnte man wohl annehmen: Je ›kryptischer‹ diese so genannten Visionen sind, desto besser. Ein wenig Spielraum für ›kreative Interpretation‹ würde immens dazu beitragen, die eigene Glaubwürdigkeit zu untermauern.«
»Das ist sicherlich richtig.« Gray Harbor schien ob Merlins unverblümter Antwort ein wenig erschrocken.
»Mein Lord«, sagte der blauäugige Fremde jetzt, »als mich zum ersten Mal diese Visionen ereilten, kamen sie aus allen Teilen Safeholds gleichermaßen. Tatsächlich waren sie sogar in mehr als einer Hinsicht zutiefst verwirrend. Doch schon bald habe ich herausgefunden, dass ich dadurch, dass ich mich auf einzelne Orte und Personen konzentrierte, die mir besonders wichtig erschienen, ich die nachfolgenden Visionen beeinflussen konnte – oder sollte ich vielleicht sagen: meinen Blick ›schärfen‹?«
»Und Ihr habt Euch dafür entschieden, den Blick auf Charis zu richten?«
»Ja, das habe ich. Ich kann Ihnen Ihre Skepsis nicht verübeln, Mein Lord. Sie gehört zu Ihren Verpflichtungen Ihrem König gegenüber. Allerdings habe ich Seiner Majestät gegenüber bereits erläutert, was mein Interesse überhaupt auf Charis gelenkt hat. Und um ehrlich zu sein: Im Augenblick benötigt Charis jeden Vorteil, den es nur erringen kann.«
»Auch das ist wahr, Rayjhis«, sagte nun Wave Thunder. Er stapelte jetzt seine Notizzettel säuberlich aufeinander. »Und auch wenn ich ebenso skeptisch bin, wie es wohl jeder andere in meiner Lage wäre«, fuhr der Baron fort, »scheint Seijin Merlin mir doch im Augenblick außerordentlich gut beleumundet. Ich hatte gewisse Vermutungen, wer hinter diesem Attentat auf den Prinzen stecken könnte, doch keiner meiner Leute hat eine Verbindung zwischen Lahang und seinen Söldnern entdecken können. Jetzt allerdings, da es einiges gibt, was auf eben diese Verbindung hinweist, gehe ich davon aus, dass wir sie auch werden belegen können. Und Sinn ergibt das alles auf jeden Fall.«
»Ich weiß.« Gray Harbor seufzte. »Ich denke, es liegt einfach nur daran …«
Der Erste Ratgeber verzog das Gesicht, dann blickte er
Weitere Kostenlose Bücher