Operation Arche - 1
Island. Hairatha war der zweit- oder drittwichtigste Flottenstützpunkt des ganzen Königreichs: Er lag ideal, um die gesamte Nordhälfte der Howell Bay zu sichern, und traditionsgemäß wurde der Schlossvogt als der ranghöchste Offizier von Charis angesehen, der nur noch High Admiral Lock Island persönlich unterstellt war. Und nicht nur das: Tirian war auch eine der führenden Persönlichkeiten der Königspartei im Oberhaus, ein unerschütterlicher Fürsprecher der Politik König Haarahlds, er war einer der diplomatischen Abgesandten, denen der König am meisten Vertrauen schenkte, und zudem war er auch noch der Schwiegersohn des Ersten Ratgebers im Königreich. Selbstverständlich konnte gerade er unmöglich ein Verräter sein!
Doch, wie Seafarmer gerade eben angesprochen hatte, Vergleichbares war auch schon in anderen Reichen geschehen. Und hier kam auch die Tatsache, dass so viele der besten Ermittler im Dienste von Wave Thunder nicht in den Adelsstand geboren waren, ins Spiel. Es war durchaus möglich, dass jemand, der selbst dem Adel angehörte, deutlich eher Misstrauen einem weiteren Adeligen gegenüber gehegt hätte. Wichtiger noch: Ein Adeliger wäre möglicherweise eher das Risiko eingegangen, jeglichen Verdacht, den er gegen einen derartig einflussreichen Feind hegen mochte, auch zu äußern. Selbst in Charis lief ein Bürgerlicher, der sich die Feindschaft eines Angehörigen des Hochadels zugezogen hatte, durchaus Gefahr, keinerlei Erfolg mehr zu haben, und das Gleiche galt auch für seine ganze Familie.
Das war natürlich ein möglicher blinder Fleck, auf den Wave Thunder in Zukunft deutlich mehr würde achten müssen, denn auch wenn er gerade eben noch Seafarmer davor gewarnt hatte, voreilige Schlüsse zu ziehen, war sich der Baron selbst doch zunehmend sicher, dass der Herzog schuldig war. Merlin Athrawes hatte zu viele andere Informationen geliefert, deren Richtigkeit sich würde überprüfen lassen. Und bislang hatte sich alles, was er ihnen erzählt hatte – und was Wave Thunders Agenten hatten überprüfen können –, als völlig richtig herausgestellt.
Es bestand allerdings immer noch die vage Möglichkeit, Gray Harbors Verdacht, das alles sei nur Teil einer ausgeklügelten, äußerst verworrenen Verschwörung, um das Vertrauen der Krone in den Herzog zu erschüttern, sei doch richtig. Genau die gleichen Faktoren, die Tirian ›über jeden Zweifel erhaben‹ wirken ließen, machten ihn für das Königreich und dessen Sicherheit geradezu essenziell. Wenn der Herzog tatsächlich der Krone so treu ergeben war, wie alle anderen das immer gedacht hatten, dann würde es für jeglichen der zahlreichen Feinde von Charis einen immensen Erfolg darstellen, wenn der Herzog in Misskredit gebracht würde – und er sich vielleicht sogar offen gegen die Krone stellte, weil er darin die einzige Möglichkeit sah, sich gegen diese falschen Anschuldigungen zu wehren.
Doch um ehrlich zu sein, glaubte Wave Thunder das nicht einen Moment lang. Und wäre Gray Harbor nur nicht ganz so eng mit Tirian verbunden, so vermutete der Baron, würde der Erste Ratgeber es ebenfalls nicht glauben.
Bedauerlicherweise war der Graf jedoch so eng mit dem Herzog verbunden. Und dann war da immer noch dieses kleine Problem, dass Tirian auch ein Vetter ersten Grades König Haarahlds war, und dass sowohl der König selbst als auch der Kronprinz den Herzog äußerst schätzten.
»Wir müssen hier äußerst vorsichtig vorgehen, Rhyzhard«, sagte der Baron schließlich. Seafarmer erwiderte nichts, doch sein Gesichtsausdruck verriet derart deutliche Zustimmung, dass Wave Thunders Mundwinkel zuckten. Offensichtlich war das eine der unnötigsten Warnungen gewesen, die er jemals ausgesprochen hatte.
»Haben Sie schon eine Idee, wie man dieses Problem am besten angehen könnte?«, fuhr er dann fort.
»Das hängt von der Antwort auf eine recht heikle Frage ab, Mein Lord.«
»Das kann ich mir denken«, gab Wave Thunder nüchtern zurück. »Und: Nein, ich denke nicht, dass wir Seiner Majestät davon berichten sollten, solange wir nicht sicherer sein können, dass es überhaupt irgendetwas zu berichten gibt. Es wird ihn zutiefst verletzen, wenn das alles tatsächlich seine Richtigkeit hat. Und er wird erzürnt sein, was auch immer geschehen mag, selbst wenn sich das alles als ›falscher Alarm‹ herausstellt. Aber wenn wir ihm davon berichten, bevor wir absolut sicher sind, wird sich das wahrscheinlich … negativ auf die Geheimhaltung
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