Operation Arche - 1
solltest du nicht«, sagte der Graf, jetzt noch langsamer, »… es sei denn, sie wären wahr.«
Tirian wirbelte zu ihm herum, ein ganz klein wenig zu schnell, und da sah er es in den Augen seines Schwiegervaters. Er sah, dass Gray Harbor doch nicht so betrunken war, wie Tirian gedacht hatte. Er sah, wie die Sorge in seinem Blick etwas anderem wich – etwas, das zugleich ungleich trauriger und viel härter war. Als ob die Geschwindigkeit, mit der sein Schwiegersohn herumgefahren war, oder irgendetwas in seiner Mimik, plötzlich alles das bestätigt hatte, was Gray Harbor so verzweifelt nicht hatte wahr haben wollen.
»Langhorne«, sagte der Graf leise. »Sie sind wahr, oder nicht? Du wusstest bereits, dass Lahang Nahrmahns wichtigster Agent hier in Tellesberg ist.«
Tirian öffnete den Mund, offensichtlich, um diese Anschuldigung abzuwehren. Doch dann hielt er inne. Einen Augenblick lang stand er nur dort, schaute den Grafen an, dann blickte er kurz zu Hauwyrd hinüber.
»Ja«, sagte er dann; seine Stimme klang knapp und abgehackt, aber doch gefasst. »Ja, Vater. Ich wusste, dass Lahang einer von Nahrmahns Spionen ist. Und ich gebe auch zu, dass er versucht hat, mich anzuwerben; er wollte mich als Mitstreiter in irgendeiner Verschwörung gegen Haarahld gewinnen.«
»Und du hast nie jemandem davon erzählt.« Jetzt klangen Gray Harbors Worte nicht mehr verwaschen. Sie kamen klar und deutlich – und eiskalt. Zorn schwang darin mit, und Trauer, und Tirian zuckte mit den Schultern.
»Nein, habe ich nicht«, bestätigte er. »Warum hätte ich das auch tun sollen? Wenn Lahang mich in irgendeiner Verschwörung gegen Haarahld hätte einsetzen wollen, dann hätte er mir ja wohl einige Details verraten müssen, oder etwa nicht? Wie hätte ich denn besser in Erfahrung bringen können, was Nahrmahn plant?«
»Wenn du zu dem Zeitpunkt wirklich so gedacht hast, dann hättest du die Information sofort an Bynzhamyn weitergeben müssen, nachdem Lahang versucht hat, dich anzuwerben.«
»Und auf diese Weise riskieren, dass das Geheimnis herauskommt, bevor ich die Möglichkeit gehabt hätte, irgendetwas in Erfahrung zu bringen?«, setzte Tirian an. »Ich denke doch nicht, dass …«
»Erspar mir die Worte«, fiel ihm Gray Harbor scharf ins Wort. Tirian blickte ihn an, und wieder schüttelte der Graf den Kopf. »Ich kenne Bynzhamyn Raice seit mehr als fünfundzwanzig Jahren; du kennst ihn fast ebenso lange. Wir wissen beide, dass Geheimnisse, die man ihm anvertraut, nicht einfach so ›herauskommen‹.« Noch einmal schüttelte er den Kopf, sehr langsam, sehr traurig. »Nein, Kahlvyn. Der einzige Grund, warum du Bynzhamyn nicht davon hättest berichten sollen, wäre gewesen, wenn du ernstlich darüber nachgedacht hättest, Lahangs Angebot tatsächlich anzunehmen.«
Trotz des grollenden Donners, trotz des Regens, der immer weiter auf die Oberlichter der Bibliothek einhämmerte, trotz des prasselnden Feuers, schien sich eisige Stille über die Bibliothek zu legen. Und dann, schließlich, nickte der Herzog von Tirian.
»Das habe ich auch«, gab er zu. »Und warum auch nicht? In meinen Adern fließt das gleiche Blut wie in Haarahlds. Mein Großvater war auch der seinige. Wenn dieser Krake ihn damals das Leben gekostet hätte, und nicht nur ein Knie, dann würde der Thron jetzt mir gehören. Warum sollte ich nicht die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass es doch noch so kommen könnte?«
Gray Harbor starrte ihn an, als sehe er ihn zum ersten Mal.
»Ich dachte, ich würde dich kennen«, sagte der Graf schließlich, so leise, dass seine Stimme sich fast im Prasseln des heftigen Winterregens verlor. »Aber wenn du mich das allen Ernstes fragen kannst, dann habe ich dich wohl niemals richtig gekannt, nicht wahr?«
»Natürlich hast du das.« Tirian vollführte eine abweisende Handbewegung. »Ich bin seit vierzehn Jahren dein Schwiegersohn. Du bist zu meinem echten, wahren Vater geworden, nicht nur dem Namen nach. Alles, was ich gedacht haben mag, alles, was ich getan haben mag, was Haarahld betrifft, ändert daran nicht das Geringste.«
»Es ändert alles, Kahlvyn«, widersprach Gray Harbor. »Verstehst du das nicht einmal? Ich habe schon im Dienste des Königs gestanden und war sein Diener, bevor ich dein Schwiegervater wurde. Ich habe einen Eid auf ihn abgelegt- den gleichen, den auch du abgelegt hast –, und den kann ich nicht brechen. Nicht für dich, nicht für Zhenyfyr oder für die Jungs. Nicht einmal für mich selbst,
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