Operation Arche - 1
gerüstete Gardisten, so hieß es darin, meine ich mich zu erinnern. Und auch wenn Kahlvyn ein Verräter gewesen sein mag, war er doch sehr wohl in der Lage, sich seine Gardisten sehr genau auszuwählen. Doch laut Lieutenant Huntyr habt Ihr diese fünfzehn handverlesenen Kämpfer niedergemäht, als wären sie nur Gras. Ganz zu schweigen davon, dass Ihr – wieder einmal – zu einem äußerst … günstigen Zeitpunkt erschienen seid.«
Er hielt inne, offensichtlich erwartete er eine Entgegnung, aber Merlin zuckte kaum merklich die Achseln.
»Wie ich schon Prinz Cayleb während des Abendessens berichtet habe, Euer Majestät, hat mich eine Vision des Grafen ereilt. Diese Vision hat ausgereicht, um mich vor der Gefahr zu warnen, in die er sich begeben wollte. Ich befürchtete jedoch, dass es mir unmöglich wäre, jemand anderen davon zu überzeugen, dass der Herzog für den Grafen oder für die Krone tatsächlich eine Bedrohung darstellte. Oder zumindest jemanden davon hinreichend zügig zu überzeugen. Also habe ich mich selbst dorthin begeben, um zu tun, was ich nur konnte.«
Cayleb, der neben seinem Vater saß, wurde sichtlich unruhig. Merlin blickte ihn an und hob fragend eine Augenbraue, doch der junge Mann riss sich nur zusammen und blieb wieder ruhiger sitzen.
»Ihr habt Euch selbst dorthin begeben«, murmelte Haarahld; er konzentrierte sich so sehr auf Merlin, dass er diesen kurzen Blickwechsel zwischen dem Seijin und Cayleb überhaupt nicht beachtete. »Und wie, wenn ich fragen darf, ist es Euch gelungen, den Marytha-Turm und das Palastgelände zu verlassen, ohne auch nur ein einziges Mal von meinen durchaus nicht unfähigen Wachen aufgehalten zu werden?«
»Euer Majestät«, gab Merlin zurück und lächelte gewinnend, »die Nacht ist finster, es schüttet wie aus Kübeln, ich bin vollständig schwarz gekleidet, und ich bin zu Euch von den Bergen des Lichts gekommen, wo es viele steile Abhänge und Klippen gibt, auf denen man das Klettern sehr gut erlernen kann. Und, um Euren Wachen die Ehre zu geben: Keiner von denen hat die Ausbildung genossen und kann auf die gleichen Vorteile zurückgreifen, die mir zur Verfügung stehen.«
Haarahld neigte den Kopf ein wenig zur Seite, und wäre Merlin immer noch ein Lebewesen aus Fleisch und Blut gewesen, hätte er jetzt vermutlich den Atem angehalten. Bislang hatte er noch keine einzige echte Unwahrheit ausgesprochen, er hatte noch nicht ein einziges Mal gelogen, und wenn es nach ihm ging, würde er es dabei auch sehr gerne belassen wollen.
»Ich nehme an«, sagte der König schließlich langsam und bedächtig, »dass, wenn ein Mann durch ein Oberlicht brechen und fünfundzwanzig Fuß tief fallen kann, um dann nicht nur fünfzehn bewaffnete Gardisten zu erschlagen, sondern sogar sechzehn, wenn man diesen Leibgardisten mitzählt, der eigentlich in Rayjhis’ Diensten hätte stehen sollen, dann sollte es mich vielleicht auch nicht überraschen, wenn besagter Mann auch wie eine menschliche Fliege an Palastmauern entlangklettern kann. Aber ich fürchte anmerken zu müssen, dass Ihr einen Maßstab für den nächsten Seijin vorgebt, dem gerecht zu werden diesem sehr schwer fallen dürfte.«
»Das ist nicht meine Absicht, Euer Majestät«, erwiderte Merlin. »Tatsächlich denke ich sogar, dass es sehr gut wäre, meine Beteiligung an den Ereignissen dieses Abends so weit wie möglich herunterzuspielen.«
»Das könnte ein wenig schwierig werden«, gab Wave Thunder nüchtern zu bedenken.
»Und wahrscheinlich auch recht nutzlos sein«, setzte Haarahld hinzu.
»›Schwierig‹ vielleicht, Mein Lord«, sagte Merlin zu dem Baron, »aber gewiss nicht ›nutzlos‹, Euer Majestät. Wenn Ihr mir gestatten würdet, das zu erläutern?«
»Aber bitte doch, Meister Traynyr«, entgegnete Haarahld, und er klang noch trockener als gerade eben Wave Thunder; Merlin war so überrascht, dass er leise lachen musste.
›Meister Traynyr‹ war eine der Standard-Figuren aus dem traditionellen Puppentheater von Safehold, eine Art Symbol für Yin und Yang − auch wenn diese Begriffe auf Safehold selbstverständlich unbekannt waren. Der Name stand für eine Person aus dem betreffenden Stück, der sich üblicherweise äußerst ungeschickt in Verschwörungen verstrickte, und dessen meist äußerst aufwändige Pläne letztendlich stets fehlschlugen. Doch zugleich, in einer Art zweideutigem Scherz, war es auch der traditionelle Künstlername des Puppenspielers, der all die
Weitere Kostenlose Bücher