Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Operation Arche - 1

Operation Arche - 1

Titel: Operation Arche - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
ergriff ihn doch die Schönheit dieser perfekt ausgebildeten, herrlichen Stimmen.
    Es dauerte lange Zeit, bis alle Sänger durch das Portal geschritten waren und ihre Plätze in den Chorlogen zu beiden Seiten des gewaltigen Mosaiks der Erzengel eingenommen hatten. Hinten ihnen, wie von der tosenden Musik getragen, folgten Bischof Maikel und ein Dutzend weiterer Altardiener, dann noch einmal halb so viele Priester und Unterpriester; den Abschluss bildeten erneut ein Szepterträger und zwei weitere Thuriferare.
    Langsam schritt der Bischof den Hauptgang hinab, auf seinen Gewändern glitzerten Edelsteine, die ansonsten übliche priesterliche Kopfbedeckung war einer einfachen goldenen Krone gewichen, die seinen Rang in der Kirche anzeigte. Ehrfürchtig senkten die Kirchenbesucher die Köpfe, wenn er an ihnen vorbeischritt, und die Miene des Bischof wirkte freundlich, fast heiter, als er immer wieder die Hand ausstreckte, Schultern oder Köpfe berührte, Kindern über den Kopf strich – eine schweigende Segnung, während er voranschritt.
    Das, so wusste Merlin, war bei den Bischöfen von Mutter Kirche kaum üblich, und fast ungläubig hob er eine Augenbraue, als er sah, wie einige Gemeindemitglieder ihrerseits die Hand nach dem Bischof ausstreckten. Merlin wusste sehr wohl, dass man Maikel Staynair hier in Tellesberg tiefsten Respekt entgegenbrachte, doch bis zu diesem Morgen hatte er nicht gewusst, wie sehr der Bischof auch geliebt wurde.
    Der Bischof betrat das Heiligtum und beugte das Knie vor dem Altar und dem Mosaik. Dann erhob er sich wieder und drehte sich zu seiner Gemeinde herum, während seine Altardiener und Unterpriester ihre Plätze einnahmen. Alles war so präzise choreographiert wie ein förmlicher Ball bei Hofe, und der letzte Altardiener nahm just in dem Moment Platz, da der letzte Ton der Prozessionshymne verklang.
    Einen Moment lang herrschte völlige Stille, dann erfüllte die trainierte, volltönende Stimme von Bischof Maikel die ganze Kathedrale.
    »Langhorne sei mit euch, Meine Kinder.«
    »Und mit Eurem Geiste, Vater«, erscholl die Antwort.
    »Lasst uns an diesem Tage die Fürsprache Langhornes und den Beistand Gottes erbitten«, sagte Maikel, wandte sich erneut dem Altar zu und beugte wieder das Knie.
    »Unser Vater, der du bist im Himmel«, begann er, »gesegnet sei Dein Name. Möge der Verheißene Tag kommen. Möge das Recht, das der Segensreiche Langhorne in Deinem Namen verkündet hat, auf Safehold ebenso herrschen wie im Himmel. Gib uns …«
    Merlin hörte nicht mehr zu. Er konnte es nicht mehr ertragen.
    Nimue Alban war mit der christlichen Kirche aufgewachsen. Sie war vielleicht nicht ganz so folgsam und fromm gewesen, wie ihre Eltern und ihre Religionslehrer sich das von ihr erwünscht hätten, doch hier auf Safehold hatte sie bemerkt, dass ihr doch einiges davon in Fleisch und Blut übergegangen war – oder eben auch in deren elektronisches Analogon. Jetzt, als er hörte, wie ernsthaft Maikel Staynair diese Worte rezitierte, musste sich Merlin ins Gedächtnis zurückrufen, dass dieser Bischof von Kindesbeinen an mit den Lehren der Kirche des Verheißenen aufgewachsen war. Es fiel Merlin schwer zu ertragen, wie diese Worte, die Nimue Alban einst so viel bedeutet hatten, hier zu Langhornes abscheulichen Zwecken missbraucht wurden – und doch stimmte es. Und wie konnte Merlin einen offensichtlich guten und fürsorglichen Mann dafür verurteilen, dass er genau das Glaubenssystem vertrat, in dem er aufgewachsen war?
    Nichts davon machte es erträglicher, das mitanhören zu müssen. Merlin war schon froh darüber, dass Langhorne sich dazu entschlossen hatte, das Safeholdjahr in Fünf-Tage-Wochen aufzuteilen, sodass es keinen Samstag und keinen Sonntag mehr gab, und dass er den mittleren dieser fünf Tage zum kirchlichen ›Feiertag‹ bestimmt hatte. Diesem ›Hochamt‹ beiwohnen zu müssen war schon schlimm genug – wäre es auch noch ein Sonntag gewesen, so hätte das für ihn alles nur noch schlimmer gemacht.
    Das muss wirklich die größte Ironie in der gesamten Menschheitsgeschichte sein, dachte er. Der letzte Christ im gesamten Universum ist eine Maschine! Rein rechtlich gesehen war es tatsächlich so, selbst bei einem autonom handelnden PICA, auch wenn Merlin sich schon lange nicht mehr als ›Maschine‹ betrachtete. Dennoch war das ein Problem, über das er nur zu gerne mit jemand anderem gesprochen hätte. War er wirklich der ›Mensch‹, dessen Erinnerungen er hatte? Oder war

Weitere Kostenlose Bücher