Operation Arche - 1
etwas ändern. Verstehst du das, Rayjhis?«
Mit abgehackten Bewegungen nickte der Junge erneut, und Haarahld holte tief Luft.
»Noch etwas, Rayjhis«, sagte er. »Es gibt noch etwas, das dir mehr als alles andere wehtun wird.«
Zhenyfyr Ahrmahk stieß einen unverständlichen Laut aus, fast unhörbar, und ihre Hand zuckte, als wolle sie nach dem König greifen und ihn davon abhalten, es auszusprechen. Doch sie tat es nicht, und Haarahld fuhr fort, sprach langsam und bedächtig, den Blick auf die beiden Kinder gerichtet.
»Die Leute werden sagen«, erklärte er, »dass euer Großvater euren Vater getötet hat.«
Kahlvyn, der jüngere der beiden, zuckte zusammen und riss die Augen auf. Rayjhis hingegen schaute nur weiter den König an, doch seine Augen waren jetzt viel dunkler geworden, im Blick stand noch mehr Schmerz, und Merlin hatte das Gefühl, sein Herz verkrampfe sich vor Mitleid mit dem untröstlichen Jungen, der gerade erst zu einem Herzog geworden war.
»Der Grund dafür, dass sie so etwas sagen«, setzte Haarahld seine Erklärung fort, »ist, dass es wirklich wahr ist. Er wollte das nicht tun, denn er hat euren Vater geliebt, genau so wie ich ihn geliebt habe, so wie Cayleb ihn geliebt hat. Aber er hatte keine andere Wahl. Manchmal tun selbst die Menschen, die wir lieben, böse Dinge, versteht ihr, Rayjhis und Kahlvyn? Manchmal tut sie das, weil es da etwas gibt, was wir nie über sie gewusst haben – etwas Geheimes tief in ihrem Innersten, das Dinge will, die sie nicht haben können, und das dennoch versucht, sie sich zu nehmen.
Euer Vater und ich sind aufgewachsen, als wären wir Brüder, nicht Vettern. Ich habe ihn ebenso geliebt, wie Kahlvyn dich liebt, Rayjhis. Ich dachte, er würde mich ebenso lieben. Manche werden sagen, es war falsch von mir, das zu glauben, weil er letztendlich versucht hat, mir die Krone zu rauben, und weil er dafür versucht hat, Cayleb zu ermorden. Es war furchtbar schlimm, wirklich furchtbar schlimm, dass er das getan hat. Aber dennoch war es nicht falsch von mir, ihn zu lieben, und es war auch nicht falsch von mir zu glauben, er würde mich lieben.
Manchmal verändern Menschen sich, Jungs. Es gibt Krankheiten, die nicht unseren Körper befallen, sondern unser Herz und unseren Geist. Ich glaube, dass genau das mit eurem Vater geschehen ist. Er wollte die Krone so unbedingt haben, dass es für ihn zu einer regelrechten Krankheit geworden ist – zu einer Krankheit, die tief in seinem Innersten Dinge verändert und entstellt hat. Als er und ich so alt waren wie ihr beide, als wir gemeinsam hier in diesem Palast aufgewachsen sind, bevor dieser … Hunger nach der Krone ihn innerlich vergiftet hat, da hat er mich geliebt. Und er hat Cayleb geliebt, das glaube ich ganz fest, so wie euer Großvater ihn geliebt hat.
Doch als er dann das tat, was er nun einmal getan hat, und als er sich geweigert hat, von diesem Plan abzulassen, den er in Gang gesetzt hatte, da musste euer Großvater eine Entscheidung treffen. Er musste sich entscheiden, ob er das tut, was sein Eid auf die Krone und seine eigene Ehre ihm gebieten, oder sich eurem Vater anschließt und an den schrecklichen Dingen teilhat, die eurem Vater zu diesem alles zerfressenden Machtstreben getrieben hat. Und als euer Großvater zum Schluss gekommen ist, er könne einen Hochverrat nicht unterstützten, so sehr er auch den Menschen liebte, der diesen Hochverrat beging, hat euer Vater seinen Leibgardisten befohlen, ihn festzunehmen und gefangen zu halten, bis Cayleb und ich und noch viele andere Menschen, ermordet worden wären.«
Immer und immer wieder schüttelte Kahlvyn den Kopf, langsam und gleichmäßig, mit der Miene eines Fünfjährigen, der mit Trauer, Verlust und Verwirrung noch nicht umzugehen weiß. Rayjhis war alt genug, um zu verstehen, was der König gesagt hatte − vielleicht noch nicht alles davon, aber doch genug −, und sein Kiefer zuckte, als er nach und nach begriff.
»Das konnte euer Großvater nicht zulassen«, sagte Haarahld, und seine Stimme war sanft, zugleich aber unerschütterlich. »Euer Großvater ist mein Erster Ratgeber. Er ist einer meiner Lehnsmänner. Er war Offizier in meiner Navy. Und euer Großvater weiß genau, was ›Ehre‹ bedeutet. Welche Bedeutung ein ›Eid‹ hat. Und so sehr er euren Vater geliebt hat – und er hat ihn geliebt, Rayjhis, das schwöre ich dir bei Gott! –, als es dann zu einem offenen Kampf kam und die Gardisten eures Vater versucht haben, ihn zu ergreifen
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