Operation Arche - 1
Moment lang glauben lassen, das sei meine Absicht gewesen?«
Ahdymsyns Fäuste verkrampften sich noch fester, und seine Nasenflügel bebten, als er jetzt scharf einatmete.
»Haben Sie, oder haben Sie nicht, gesagt, es sei die Verantwortung jedes gottesfürchtigen Menschen, für sich selbst zu entscheiden, was richtig oder falsch ist?«
»Aber natürlich habe ich das, Eure Eminenz.« So überrascht zu klingen hätte nicht einmal der talentierteste Schauspieler improvisieren können, dachte Ahdymsyn. »Ist es nicht genau das, was uns sowohl die Heilige Schrift als auch Die Kommentare lehren? Dass Gott und die Erzengel« – kurz führte er die Finger zuerst an sein Herz, dann an die Lippen – »von uns allen erwarten, jederzeit dem Bösen gegenüber wachsam zu sein? Dass es unsere Pflicht als gottesfürchtige Männer und Frauen ist, stets auf der Hut zu sein und das Böse selbst zu erkennen, wann immer wir es sehen?«
Ahdymsyn knirschte mit den Zähnen, seine Wangenmuskeln zuckten. Er hätte die Hand ausstrecken und diesen Charisianer mit seinem freundlichen Gesicht einfach schlagen mögen. Sie beide wussten ganz genau, was Maikel in Wirklichkeit gesagt hatte, und doch stammte die zungenfertige Antwort dieses Bischofs geradewegs aus den zentralsten Doktrinen der Kirche.
»Ich widerspreche in keiner Weise der Aussage, dass Gott und die Erzengel …« − jetzt war es an Ahdymsyn, zuerst das Herz, dann die Lippen zu berühren – »… von uns erwarten, das Böse zu erkennen, wann immer wir es sehen. Aber es ist gefährlich, sowohl im Sinne der kirchlichen Doktrinen als auch, wenn es darum geht, die rechtmäßige Autorität von Mutter Kirche zu wahren – sowohl in dieser Welt als auch der nächsten –, auch nur anzudeuten, ihre Lehren könnten fehlerhaft sein.«
»Bei allem gebührenden Respekt, Eure Eminenz, aber ich habe nichts dergleichen gesagt«, versicherte Maikel mit fester Stimme. »Ich habe von der Verantwortung der Eltern gesprochen, ihr Kind zu lehren, ›richtig‹ von ›falsch‹ zu unterscheiden. Und stets auf der Hut zu sein, stets darauf zu achten, dass andere, die ihren Verpflichtungen weniger nachkommen, oder die ihre eigenen boshaften, verderbten Ziele verfolgen, sie in die Irre zu führen versuchen könnten. Die falsche Argumente in vermeintlich akzeptable Ansichten kleiden. Ich habe niemals auch nur angedeutet, Mutter Kirche könne den Fehler begehen, falsche Lehren zu verbreiten. Wenn Ihr glaubt, ich hätte das getan, dann erflehe ich von Euch, mir zu zeigen, wo und wie ich eine derart unverzeihliche Anschuldigung vorgebracht habe!«
Einen Augenblick lang funkelte Ahdymsyn ihn nur finster an, dann drehte er sich ruckartig wieder zum Fenster herum und versuchte, seine eigene Mimik – und seinen Zorn – im Zaum zu halten.
»Ob Sie nun eine derartige … ›Anschuldigung‹ beabsichtigt haben oder nicht«, sagte er schließlich, »so wurde mir doch berichtet, Ihre Worte könnten in genau diesem Sinne verstanden werden – von all jenen, die dazu neigen, eine eigene Meinung zu vertreten, die den Lehren der Mutter Kirche widerspricht.«
»Ich versichere Euch, Eure Eminenz, dass ich niemals die Absicht hatte, die rechtmäßige Autorität von Mutter Kirche in Frage zu stellen. Sollten irgendwelche meiner Worte in dieser Art und Weise ausgelegt werden können, so bitte ich demütigst um Vergebung.«
Finster starrte Ahdymsyn weiter aus dem Fenster. Im Westen ging gerade die Sonne unter. Der ganze westliche Horizont schien aus einer einzigen Front karmesinrot glühender Kohlen zu bestehen, die jetzt die Howell Bay in unheilvolles Rot tünchten, und wieder holte der Bischof-Vollstrecker tief Luft.
»Ich bin höchst unzufrieden mit dieser offensichtlichen … Unachtsamkeit Ihrer Wortwahl, Bischof Maikel. Sie sind, nach Erzbischof Erayk und mir, der ranghöchste Bischof des ganzen Königreiches von Charis. Sie haben eine Verantwortung, Gott und Mutter Kirche gegenüber, die Schafe Ihrer Herde daran zu erinnern, wo ihre Pflichten und das Heil und die Sicherheit ihrer unsterblichen Seelen liegen. Und daraus folgt auch, dass es ebenso in Ihrer Verantwortung liegt zu verhindern, mit Ihren Worten – und sei es auch nur versehentlich – jeglichen … Keil zwischen ihre Gemeinde und die Sicherheit zu treiben, die in der Autorität von Mutter Kirche liegt.«
Er zwang sich dazu, ruhig und sachlich zu sprechen, auch wenn er genau wusste, dass weder er noch Staynair auch nur einen Moment lang daran
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