Operation Arche - 1
zweifelten, dass der charisianische Bischof exakt das getan hatte, was ihm Ahdymsyn hier vorwarf. Doch gleichzeitig hatte Staynair sich auch sehr gut zu schützen gewusst. Seine Auslegung dieser Worte – das, was er angeblich gemeint hatte, so unpräzise und eigennützig sie auch sein mochte – klang sowohl plausibel als auch vernünftig. Oder sie hätte zumindest so geklungen, nur eben nicht hier. Nicht in Charis.
»Ich bedaure, dass Ihr Gründe habt, mit mir unzufrieden zu sein, Eure Eminenz«, entgegnete Staynair.
»Das kann ich mir denken.« Ahdymsyn blickte weiter aus dem Fenster, und in seinem Lächeln lag nicht die Spur von Belustigung.
Theoretisch hätte er Staynair vorübergehend seines Amtes entheben können. Doch ohne Erzbischof Erayks Zustimmung konnte er den Charisianer nicht dauerhaft absetzen, und er war sich absolut nicht sicher, dass der Erzbischof ihn tatsächlich unterstützen würde.
Und das ist teilweise deine eigene Schuld, Zherald!, sagte er sich eisig. Du wusstest schon seit Jahren, wie stur diese Charisianer sind, und dennoch hast du dem Erzbischof ständig versichert, die Lage sei vollständig unter Kontrolle. Viel zu lange hast du die Berichte von Leuten wie Hektor und Nahrmahn als Übertreibungen abgetan – weil sie übertrieben waren, verdammt noch mal, und das nicht zu knapp! Wenn du jetzt einfach nur über Staynairs Worte Bericht erstattest, nach all diesen anderen Dingen, und ihn nur aufgrund dieser einen Predigt bezichtigst, die Autorität der Kirche zu untergraben, dann wird das so klingen, als würdest jetzt du auch noch mit diesen Übertreibungen anfangen! Wenn man nicht das Gesicht dieses Mannes auf der Kanzel sieht, nicht hört, wie er spricht, nicht die Stimmung seiner Gemeinde in Betracht zieht, dann wird alles, was er sagt, völlig vernünftig klingen. Und jegliche Behauptungen, die du über ihn aufstellst, werden hysterisch wirken und als Panikmache angesehen werden.
Das Lächeln des Bischof-Vollstreckers verwandelte sich in einen finsteren Blick, als er den schwelenden Horizont betrachtete und sich fragte, ob diese karmesinroten Glutwolken vielleicht eine Art Omen seien. Staynair war lästig, das ohne Zweifel, aber das lag zumindest teilweise auch daran, wie die ganze charisianische Priesterschaft zusammengesetzt war.
Einer der Hauptgründe, warum Ahdymsyn dieser Aufstieg Staynairs auf den bischöflichen Stuhl in Tellesberg so gegen den Strich ging, war, dass dieser Aufstieg jeglicher üblichen Kirchenpolitik widersprach, was das Besetzen der Posten höherer Geistlicher betraf − und auch das Versetzen, vor allem bei Bischöfen und Weihbischöfen, die meist außerhalb der Königreiche oder Provinzen Dienst taten, in denen sie geboren waren. Ahdymsyn war der Ansicht, es sei niemals eine gute Idee, der Führung der örtlichen Kirche zu gestatten, das Gefühl zu entwickeln, auch dem weltlichen Reich gegenüber, in dem sie ihren Dienst taten, eine gewisse Treue schenken zu müssen – und das galt vor allem für Länder wie Charis, die so weit vom Tempel und Zion entfernt lagen.
Doch Angehörige der Priesterschaft davon zu überzeugen, es sei für sie dringend erforderlich, in ein derart entferntes und isoliertes Hinterland zu ziehen, war stets mit Schwierigkeiten verbunden. Diejenigen mit eigenen Fürsprechern fanden immer einen Weg, sich dieser unschönen Pflicht zu entziehen. Während der Reichtum von Charis natürlich einen gewissen Anreiz bot, war es doch leider die Wahrheit, dass die meisten den Auftrag, hier tätig zu werden, als ›Exil‹ ansahen. Bestenfalls war es für das Karrierestreben eines jeden zumindest immer ein herber Schlag, hierher versetzt zu werden.
Ahdymsyns eigene Lage war eher untypisch. Er hatte seine Zuverlässigkeit reichlich unter Beweis gestellt, doch es fehlte ihm an hinreichend hochgestellten Fürsprechern, um jemals selbst Erzbischof zu werden. Da das nun einmal der Fall war, war ihm Charis gerade recht gewesen, als man es ihm angeboten hatte. Es war weit genug vom Tempel und von Zion entfernt, um ihm ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Autonomie zu gewähren, und zudem bot dieses Land hier zahlreiche Gelegenheiten, den eigenen Wohlstand zu mehren.
Doch mehr als neun von zehn Mitgliedern des Klerus hier in Charis waren eben gebürtige Charisianer, so wie auch Staynair selbst. Die meisten von denen bekleideten nur niedere Ämter oder gehörten den verschiedensten Mönchsorden an. Doch genau das war es ja, was es so … lästig
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