Operation Arche - 1
aufsuchte, nicht nur einmal. Doch er konnte auch auf diese Reise gehen, ohne völlig vom Tempel abgeschnitten zu sein. Dank der Semaphorenketten, die Mutter Kirche zwischen Haven und Howard betrieb, dauerte der Austausch einer Botschaft zwischen Gletscherherz und dem Tempel, Hin- und Rückweg berechnet, nicht einmal zwei Tage.
Schon gelegentlich hatte sich Dynnys gefragt, ob dieser Groll, den Cahnyr hegte, nicht vielleicht von den Unterschieden ihrer beiden Erzdiözesen herrühren mochte. Zumindest Dynnys selbst wusste, dass ein Teil der schlechten Stimmung, die zwischen ihnen herrschte, daher stammte, dass Cahnyr der Sohn eines niederen Edelmanns aus Dohlar war, während Dynnys als Sohn eines Bischofs und als Großneffe eines Großvikars ein gewisses zusätzliches Ansehen genoss. Cahnyr gehörte nicht zu den traditionellen, großen Kirchendynastien, die den Tempel seit Jahrhunderten dominiert hatten, und er schien nie so recht zu begreifen, welches Spiel diese Dynastien eigentlich spielten – und wie sie das taten.
Dieses Spiel, dessen war sich Dynnys wohl bewusst, erklärte, wie er Charis hatte übernehmen können, und Cahnyr … eben nicht. Trotz der Frömmigkeit, die dieser andere Prälat zur Schau stellte, konnte auch dieser ganz offensichtlich nicht völlig frei von Ehrgeiz sein, sonst hätte er niemals den Rubinring eines Bischofs errungen, geschweige denn das Amt, das er mittlerweile bekleidete – und Cahnyrs Erzdiözese war doch nur eine Provinz der Republik Siddarmark, während Dynnys Gemeinde das gesamte Königreich Charis umfasste. Es war natürlich möglich, dass allein diese Tatsache der Grund für Cahnyrs Feindseligkeit war, doch in seinen ruhigeren Momenten bezweifelte Dynnys das ernsthaft. Gletscherherz, zerklüftet und bergig, maß kaum ein Viertel der Fläche von Charis, und im Vergleich mit dem Rest von Haven war es auch nur spärlich besiedelt, doch insgesamt hatte es in etwa gleich viele Einwohner wie das gesamte Königreich.
Aber nicht, so sinnierte er zufrieden, auch nur ein Zehntel von dessen Reichtum.
Haven und Howard waren die beiden größten Landmassen von Safehold, und Langhorne und all seine Erzengel hatten die Menschheit dort viel dichter gesät als an allen anderen Orten. Selbst heute waren acht, oder vielleicht sogar neun, von jeweils zehn der Bewohner von Safehold dort zu finden, und so war es kaum verwunderlich, dass auch Mutter Kirche dort besonders zahlreich vertreten war. Die langen Ketten der Semaphorentürme, die von Zion in alle erdenklichen Richtungen reichten, ermöglichten es dem Tempel, die weit verstreuten Erzdiözesen zu überwachen. Ebenso die Diözesen, die Kathedralen und Kirchen, die Gemeinden, die Klöster der Mönche und die der Nonnen sowie die kirchlichen Güter, und ebenso auch die Intendanten, die den zahlreichen weltlichen Gerichtshöfen, Parlamenten und Versammlungen zugeordnet waren. Diese Semaphoren gehörten Mutter Kirche, und selbst wenn diese auch den weltlichen Autoritäten deren Nutzung gestattete, blieb das doch stets eine Frage der Verfügbarkeit. Und diese ›Verfügbarkeit‹ war, wie mehr als ein Prinz, König oder Gouverneur hatte feststellen müssen, nicht immer gegeben – vor allem nicht für jemanden, der sich den Unmut der örtlichen geistlichen Vorgesetzten zugezogen hatte.
Doch nicht einmal Mutter Kirche vermochte Semaphorentürme mitten im Meer zu errichten, und so bestand die einzige Möglichkeit, mit Ländern wie Charis, Chisholm oder dem Corisande-Bund zu kommunizieren, letztendlich im Einsatz von Schiffen. Und Schiffe, wie Dynnys schon vor langer Zeit herausgefunden hatte, waren langsam.
Eine zusätzliche Semaphorenkette war bis nach Raven’s Land und Chisholm erweitert worden, jenseits der Markovianischen See, doch selbst dort mussten die Nachrichten immer noch die ›Sturmpassage‹ überqueren, eine Wasserfläche von fast zwölfhundert Meilen Breite, die zwischen den Semaphorentürmen von Rollings Head und dem Eisen-Kap lag. Dadurch musste Zherohm Vyncynt, der Erzbischof von Chisholm, fast siebzehn Tage warten, bis er auf eine Nachricht auch eine Antwort erhielt, doch für Dynnys war die Lage noch schlimmer. Es dauerte nur sechs Tage, bis eine Nachricht des Tempels den Semaphorenturm von Clahnyr im südlichen Siddarmark erreichte, doch von dort musste sie erst noch dreitausend Seemeilen hinter sich bringen, um Tellesberg zu erreichen. Und das bedeutete natürlich, dass es durchschnittlich fünfundzwanzig Tage dauerte –
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