Operation Arche - 1
schon einmal erwähnt, was wir eigentlich jagen wollen, und ich hätte es schlichtweg vergessen.«
»Was?« In seinem Sattel drehte sich Cayleb um und schaute den Offizier der Marines mit großen, treuherzigen Augen an. »Habe ich vergessen, Ihnen das zu erzählen?«
»Ach, das bezweifle ich«, gab Falkhan grimmig zurück, und Caylebs Mundwinkel zuckten, doch es gelang ihm heldenhaft, ein Lächeln zu unterdrücken.
Der Kronprinz, zu diesem Schluss kam Falkhan jetzt, hat wirklich das gesamte Talent seines Vaters geerbt, andere Menschen bewusst in die Irre zu leiten. Er hatte es vollbracht, Falkhan so sehr mit der Frage zu beschäftigen, wie viele Leibgarden ihn denn nun auf diesen Jagdausflug würden begleiten müssen, dass der Lieutenant es völlig verabsäumt hatte, die Frage nach der gewünschten Beute zu stellen.
»Sie glauben doch gewiss nicht, ich hätte es bewusst vermieden, es Ihnen zu erzählen?«, fragte Cayleb jetzt, sichtlich verletzt – das besagte zumindest seine Miene –, und Falkhan stieß ein abfälliges Schnauben aus.
»Ganz genau das glaube ich, Euer Hoheit. Und ich bin schon fast geneigt, die ganze Jagdgesellschaft auf der Stelle umkehren zu lassen.«
»Ich glaube nicht, dass wir das tun werden«, erwiderte Cayleb, und sofort wurde Falkhan noch deutlich wachsamer, als er die kaum merkliche, aber doch eindeutig vorhandene, Tonfalländerung bemerkte. Er schaute den Prinzen an, und Cayleb erwiderte den Blick geradeheraus. »Diese Peitschenechse hat bereits zwei Bauern getötet, Ahrnahld. Jetzt hat sie Geschmack an Menschenfleisch gefunden, und in den nächsten Fünftagen werden mehr und mehr Leute auf den Feldern arbeiten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie sich wieder einen holt … oder vielleicht sogar ein Kind. Das werde ich nicht zulassen.«
»Euer Hoheit, diesem Wunsch vermag ich nicht zu widersprechen«, sagte Falkhan, und Tonfall und Miene waren ebenso ernst wie die seines Schutzbefohlenen. »Aber Euch persönlich Jagd auf etwas Derartiges machen zu lassen, noch dazu zu Fuß, fällt eindeutig in die Kategorie ›unakzeptable Risiken‹.«
Einen Moment lang wandte Cayleb den Blick ab und ließ ihn über die Hügel schweifen, die zum zerklüfteten Rückgrat des Landes Charis hinaufführten. Unruhig bewegten sich die dunkelgrünen Nadeln der hoch aufragenden, schmalen Kiefern, wie harzige Wellen wogten sie unter der sanften Berührung einer Brise aus dem Süden, und die weißgekrönten Gewitterwolken mit ihrer schwarzen Unterseite, die wie Ambosse am Himmel standen, zogen sich über dem südlichen Horizont immer mehr zusammen.
Als er nach Westen blickte, bergab in Richtung Tellesberg, sah er, wie sich dort das grünbraune Flickenmuster zahlreicher wohlhabender Höfe über die unteren Abhänge erstreckte; über den höhergelegenen Höfen im Osten ragten die Berge noch ungleich steiler auf. Schon hier war es merklich kühler als in der Hauptstadt, und das würde immer mehr zunehmen, je weiter sie in die Hügel hinaufstiegen. Auf den höheren Kuppen um sie herum war schon der erste Schnee zu erkennen, und hoch über ihnen kreiste eine Wyvern, ließ sich geduldig von den Luftströmungen höher und höher tragen, während sie auf ein unachtsames Kaninchen oder eine Heckenechse wartete, die sich als Mittagessen anböte.
Es war ein herrlicher Tag, und herzhaft sog Cayleb die frische Luft in die Lungen – die Luft von Charis, dem Land, dem zu dienen er geboren war. Von diesem Gedanken ließ er sich ganz anfüllen, so wie er seine Lungen ganz mit der Luft des Landes angefüllt hatte, dann schaute er wieder zu dem Lieutenant hinüber.
»Erinnern Sie sich, wie mein Vater beinahe das Bein verloren hätte?«
»Er war fast ebenso jung und so töricht, wie Ihr es jetzt seid, glaube ich in Erinnerung zu haben«, erwiderte Falkhan, statt auf die Frage selbst zu antworten.
»Vielleicht war er das«, gab Cayleb zu. »Aber wie dem auch sei: Es ist nicht geschehen, weil er vor der Verantwortung seinen Untertanen gegenüber davongelaufen wäre. Und es gibt in Tellesberg mindestens ein Dutzend Kinder, die jetzt noch einen Vater haben, eben weil mein Vater sich seiner Verantwortung bewusst war.« Der Kronprinz zuckte die Achseln. »Ich gebe gerne zu, dass ich diese Peitchenechse nicht erwähnt habe, weil ich sie persönlich jagen will. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Echse zur Strecke zu bringen – oder zumindest dafür zu sorgen, dass sie zur Strecke gebracht wird −
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