Operation Arche - 1
überwältigend sein. Die Kirche von Safehold beschränkte sich nicht auf eine überschaubare Anzahl von Theologen oder eine relativ kurze, zukunftsweisende heilige Schrift. Es gab die Aufzeichnungen, die Briefe, die erleuchteten Schriften von acht Millionen Menschen, und sie alle glaubten absolut daran, dass die Ereignisse, die sie niedergeschrieben hatten, sich in jeder Hinsicht genau so zugetragen hatten.
Kein Wunder, dass Bédard so fest davon überzeugt war, ihre theokratische Matrix würde funktionieren, dachte Nimue säuerlich. Die armen Schweine hatten ja überhaupt keine Chance!
Und auch wenn es Kau-yung gelungen sein mochte, Langhorne und seine ranghöchsten Anhänger und Verfechter umzubringen, hatte doch offensichtlich noch jemand überlebt, der in der Lage gewesen war, den Gesamtplan weiterzuverfolgen. Der Tempel Gottes und die Stadt Zion allein sind schon Beweis genug dafür, dachte Nimue grimmig, denn beides hatte vor dem Mord an Shan-wei noch nicht existiert. Und vor allem der Tempel war das Kernstück des physischen Beweises für die absolute Richtigkeit der Heiligen Schrift.
Nimue hatte es nicht gewagt, ihre SNARCs in oder in der Nähe von Zion zu freimütig einzusetzen, nachdem sie begriffen hatte, dass es irgendwo unterhalb des Tempels noch zumindest einige recht leistungsschwache Energiequellen gab. Sie hatte sich erst recht dagegen entschieden, sie im Tempel selbst einzusetzen, obwohl sie sich sehr wohl darüber bewusst war, welch empfindliche Löcher sich dadurch in dem Netz ergaben, das sie ausgeworfen hatte, um Informationen zusammenzutragen. Bedauerlicherweise hatte sie keine Ahnung, welcher Art diese Energiequellen sein mochten, und sie hatte auch nicht die Absicht, das auf die harte Tour herauszufinden. Doch andererseits brauchte sie sich dem Tempel nicht sonderlich weit zu nähern, um dessen unbestreitbare Erhabenheit und Schönheit zu erkennen und zu würdigen. Oder auch die Tatsache, dass er vermutlich länger bestehen bleiben würde als die meisten Gebirge in seiner Umgebung.
Das war einfach lächerlich! Sie hatte schon Kommandobunker von Verteidigungsanlagen ganzer Planeten gesehen, die leichter zerstörbar gewesen wären als dieser Tempel, und sie fragte sich, welcher geniale Wahnsinnige auf die Idee gekommen war, diese silberne Kuppel mit Panzer-Plastik zu beschichten? Es sah so aus, als wäre diese Schicht mindestens sieben oder acht Zentimeter dick, und das bedeutete, dass sie sogar eines der alten panzerbrechenden Geschosse, Kaliber 40 Zentimeter, aus der Zeit vor der Entwicklung der Raumfahrt würde abhalten können, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen. Das erschien Nimue doch ein wenig übertrieben, wenn es nur darum ging, dass die Kuppel und diese absurde Langhorne-Statue immer schön sauber und glänzend blieben. Andererseits ›bewiesen‹ allein schon die Existenz dieses Tempels, und dieses ›wundersame‹ Panzer-Plastik und all die anderen fortschrittlichen Materialien, die beim Bau verwendet worden waren – ganz zu schweigen davon, dass anscheinend im Inneren ständig eine Klimaregelung aktiv war, was möglicherweise das Vorhandensein dieser Energiequellen erklärte – eindeutig, dass tatsächlich einst Erzengel auf der Oberfläche von Safehold gewandelt waren. Gewiss konnten nicht die Hände gewöhnlicher Sterblicher für dieses Wunderwerk verantwortlich sein!
Und doch, trotz seiner Größe und seiner Erhabenheit, stand der Tempel nur für einen winzigen Teil der Macht der Kirche. Jeder einzelne Monarch auf diesem Planeten war Regent ›von Gottes und des Erzengels Langhornes Gnaden‹, und es war die Kirche, die diese Rechtmäßigkeit gewährte – oder eben verwehrte. Theoretisch konnte die Kirche jederzeit jeden beliebigen Regenten absetzen, wann immer ihr der Sinn danach stand. Tatsächlich hatte die Kirche von dieser Macht nur sehr behutsam Gebrauch gemacht, und diese Vorsicht hatte, seit die großen Reiche wie Harchong und Siddarmark entstanden waren, nur noch zugenommen.
Doch die Kirche war immer noch die mächtigste, einflussreichste weltliche Macht auf Safehold – und auch ganz eigenständig. Die Tempel-Lande waren kleiner als Harchong oder Siddarmark, ihre Bevölkerung war kleiner, doch sie waren immer noch größer und bevölkerungsreicher als fast jedes andere Reich auf ganz Safehold. Und nicht einmal die Kirche selbst wusste, wie viel des Gesamtreichtums dieser Welt sie in ihrer Macht hatte. Jede einzelne Person auf Safehold war gesetzlich
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