Operation Arche - 1
versuchen, und dass häufig durch das Aussprechen einer kleinen Wahrheit der letztendliche Trug nur umso überzeugender wird. Ich erwarte nicht, dass Ihr meine Dienste in Anspruch nehmt, oder auch nur an die Richtigkeit meiner Visionen glaubt, ohne mich gründlich zu prüfen. Und während Ihr mich prüft, erflehe ich von Euch, eines nicht zu vergessen: Ich habe gesagt, meine Dienste gelten Charis und dem, was Charis werden kann, nicht Euch persönlich, und genau so habe ich es auch gemeint, genau so möchte ich es verstanden wissen. Ich werde Euch jede Wahrheit kundtun, die ich kundzutun vermag, und ich werde Euch den besten Rat erteilen, den ich zu erteilen vermag, doch letztendlich gilt meine Treue einer Zukunft, die weit über Euer persönliches Leben hinausgeht, weit über die Lebenszeit der Person, die ihr Merlin nennt, und auch weit noch über die Lebensspanne Eures Sohnes. Es liegt mir am Herzen, dass Ihr das versteht.«
»Seijin Merlin, das verstehe ich.« Tief blickte Haarahld seinem Gast in die unnatürlich saphirblauen Augen, und er sprach nun sehr leise. »Es heißt, der Seijin diene der Vision Gottes, nicht der des Menschen. Jeder Mensch, der die Dienste eines Seijin in Anspruch zu nehmen wünscht, tut gut daran, niemals zu vergessen, dass die Vision Gottes nicht unbedingt seinen eigenen Erfolg beinhalten muss, nicht einmal sein eigenes Überleben. Doch eine der Pflichten eines Königs ist es, für sein Volk zu sterben, wenn Gott es von ihm verlangt. Was auch immer die Vision Gottes für Charis erfordern mag, ich werde den Preis zahlen, und wenn Ihr ein wahrer Seijin seid, wenn Ihr wirklich Seiner Vision dient, dann soll mir das mehr als ausreichen, was auch immer die Zukunft für mich selbst bereithalten mag.«
.VII.
Tellesberg und die Styvyn-Berge, Armageddon-Riff
Erneut saß Merlin in seinem Gemach.
Eine feuchtwarme, windstille Nacht drängte sich schwer gegen die Fenster. Nimue Alban, geboren und aufgewachsen in der Region Nord Europa auf Terra, hätte diese Nacht als unangenehm drückend und heiß empfunden, trotz der Jahreszeit, die laut dem offiziellen Kalender hier herrschte, doch ein PICA ließ sich von derart unbedeutenden Dingen nicht stören. Merlin war vielmehr darüber erstaunt, wie undurchdringlich schwarz die mondlose Nacht war; dieser Anblick war immer noch einer der fremdartigsten Aspekte der ganzen Welt Safehold – zumindest für einen Mann, dessen Verstand früher einmal der von Nimue Alban gewesen war. Nimue war das Kind einer hochtechnisierten Zivilisation, in der Lichtquellen etwas völlig normales gewesen waren: Licht und Energie hatten die Finsternis zurückgedrängt und selbst noch in den finstersten Nächten Kuppeln des Lichts, das von der Wolkendecke zurückgeworfen wurde, über den Städten glimmen lassen. Für eine Stadt auf Safehold war Tellesberg sogar erstaunlich hell erleuchtet, doch die einzigen Lichtquellen auf diesem Planeten waren die schlichten Flammen brennenden Holzes oder brennender Kerzen aus Wachs oder Talg, viel zu matt, um die Nacht tatsächlich zu vertreiben.
Wie ganz Tellesberg selbst, war auch Merlins Gemach für Safehold-Verhältnisse erstaunlich hell erleuchtet. Hier gab es nicht nur Kerzen, sondern auch die feinen, klaren Flammen der Lampen, die mit Krakenöl befüllt wurden und zudem mit diesen recht neumodischen polierten Reflektoren ausgestattet waren – angebracht hinter ihren Brennzylindern, sodass sie das Licht sammelten und man den Lichtschein sogar lenken konnte. Trotzdem reichte die Beleuchtung kaum aus, um ohne Anstrengung zu lesen, vor allem angesichts der verschlungenen Kalligraphie der handgeschriebenen Bücher, die auf Merlins Schreibtisch lagen. Natürlich war es möglich: Seit Generationen der auf Safehold geborenen Menschen wurde es getan, doch man musste die Augen dabei fast überanstrengen.
Merlin hingegen hatte den auf Safehold geborenen Menschen gegenüber einige Vorteile. Zum einen konnte er seine künstlichen Augen nicht überanstrengen. Zudem verfügten sie über Restlichtverstärker-Technologie, und die ließ den Raum – und tatsächlich sogar die endlose Schwärze der Nacht vor den Fenstern – taghell erscheinen. Den werksseitig bei allen PICAs eingestellten Zehn-Tage-Countdown hatte er aus seinem Sichtfeld entfernt, und nun gab es nichts mehr, was ihn hätte ablenken können, als er zügig und stetig die dicke, ledergebundene Ausgabe der Heiligen Schrift der Kirche des Verheißenen durchblätterte.
Es war bei
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