Operation Blackmail
deinen Namen.« Er konnte den effizienten Kommunikationsstil nur bewundern,
die E-Mail sagte wirklich nur das Nötigste. Was in aller Welt bestätigte
Brüssel? Und wer war dieser Rendson? Noch mehr als der Inhalt interessierte ihn
jedoch der Absender, speziell die Domäne, von deren E-Mail-Server die Nachricht
verschickt worden war: ecsb.eu. Eddy Rames, Solveigh Lang und dieser Sir Thater
schienen alle einer Organisation namens ECSB anzugehören. Die Endung .eu war
nicht aussagekräftig, die durften sowohl Behörden als auch Unternehmen
beantragen. In der Datenbank der ausgebenden Stelle war ebenjener Sir William
Thater registriert, der bei der Nachricht auf Kopie gestanden hatte. Als
Adresse war eine rue Alcide de Gasperi in Luxemburg angegeben. Mao googelte
beides. Unter William Thater fand er hauptsächlich Amerikaner, einen hochrangigen
Versicherungs-Heini und irgendeinen Programmierer. Sah nicht nach seinem Mann
aus. Die Adresse war schon vielversprechender: ein Verwaltungsgebäude der
Europäischen Kommission. Die EU-Kommission? Was konnte das zu bedeuten haben?
Dabei handelte es sich doch um nichts weiter als ein kopfloses
Politiker-Hirngespinst, das Gesetze verwaltete, die niemand interessierten.
Langsam begann sich Mao zu wundern. War das Undenkbare denkbar? Er verbat sich
jede weitere Spekulation. Bloà keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wenn er erst
einmal Zugriff auf ihre Festplatte hatte, würde sich alles aufklären. So oder
so. Und wahrscheinlich in Wohlgefallen auflösen. Er erinnerte sich an Solveigh
Lang in Paris. Ihren entschlossenen Gesichtsausdruck, die wolfsgrauen Augen.
Bei dem Gedanken erschauderte er.
Mahnend meldete sich seine Ratio. Ein Problem nach dem anderen. Wie
aggressiv sollte er vorgehen? Fischen ist eine Frage von Uhrzeit, Köder und
Geduld, rief er sich ins Gedächtnis. Geduld, Geduld, Geduld, davon besaà er einfach
zu wenig. Sollte er doch? Nur ein klitzekleiner Versuch? Seine Finger tanzten
nur Millimeter über die Tastatur. Sekunden später hatte sein Unterbewusstsein
schon das Programm zur Fernwartung gestartet und ihr Passwort eingegeben. Erst
in letzter Sekunde gewann die Vernunft wieder die Oberhand. Frustriert löschte
er das Passwort. Vorerst.
Sie war immer noch auf der Seite von Chanel, sie recherchierte
Bezugsquellen. Er biss ein weiteres Stück von der lauwarmen Pizza ab, das ihm
jedoch mitten auf die Tastatur fiel. Verdammter Mist! Er schob es von den
Tasten und tippte mit fettigen Fingern seine nächsten Befehle ein. Er musste
herausfinden, wo sie sich aufhielt. Wieso suchte sie ausgerechnet nach einem
Chanel-Laden in Athen? Dort lag Leonids nächstes Ziel, das konnte gar nicht
sein. Sie waren viel zu schnell. Wer war diese Solveigh Lang? Er verwendete ein
Programm namens Visual Route, um ihren Standort zu ermitteln. Während seine
Anfrage durch das Internet raste, sich an Knotenpunkten aufteilte, wieder
zusammensetzte, zeigte ihm eine rote Linie den Fortschritt: von München nach
Frankfurt, deutscher Knotenpunkt. Weiter nach Rom. Nach Süden. Konnte es
tatsächlich sein? War ihre Operation in Gefahr? Die rote Linie raste weiter gen
Süden, dann Osten. Tatsächlich: Die BKA- oder Sonstwas-Schlampe war in Athen.
Im Zentrum. Näher konnte es Visual Route nicht eingrenzen, die letzten Meter
waren aus Datenschutzgründen nicht erlaubt, und da war auch für ihn Schluss. Er
hätte sich in die Rechner des Providers hacken müssen, was jedoch bei Weitem
nicht so trivial wie seine Honeypot-Falle war. »ScheiÃe«, schrie Mao und fegte
die Tastatur vom Schreibtisch. »ScheiÃe, ScheiÃe, ScheiÃe.«
Nachdem sich seine erste Aufregung gelegt hatte, schloss er die
Tastatur wieder an und schmiss die Pizza in den Mülleimer. Er sah nur eine
Chance. Er brauchte Informationen, und da wollte ihm nur eine realistische
Quelle einfallen: Er musste den groÃen Hack riskieren, ihren Computer direkt
anzapfen und nicht nur dämliche Pakete mitschneiden. Er knackte mit den
Gelenken seiner Finger und setzte sich gerade an den Schreibtisch. Zuerst: Musik.
Seine Wahl fiel auf eine Beethoven-Sonate. Kopfhörer auf, Umwelt abschalten, er
brauchte absolute Konzentration. Im vollen Bewusstsein der Gefahr, der er sich
aussetzte, öffnete er das Programm zur Fernwartung, konnektierte sich mit ihrer
MAC-Adresse und gab ihre Benutzerdaten ein:
Â
User: SLang289099
Passwort: xus44lh
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