Operation Blackmail
Umso
besser. »Für meine Gerechtigkeit gibt es nur ein Gericht, Mister â¦Â«,
antwortete sie.
Thanatosâ Augen huschten zu Dominique, der in diesem Moment an ihrem
Tisch vorbeieilte. Nach einer kurzen Irritation wandte er sich wieder an sie.
Hatten sie ihre Karten überreizt?
»Ich bin nicht sicher, ob ich Sie recht verstehe. Bitte warten Sie
einen kleinen Augenblick, ich muss kurz telefonieren«, tanzte der alte Mann um
den heiÃen Brei herum.
Solveigh waren die Hände gebunden, ihr blieb nichts anderes übrig,
als ihre Rolle der Frau von Humboldt weiterzuspielen. Aber sie war nervös.
Wollte er wirklich nur telefonieren, oder hatte sein Instinkt gewonnen, und er
ging stiften? Mein lieber junger französischer Freund, vielleicht bist du noch
cleverer, als ich gedacht hatte, überlegte sie, als ihr Handy klingelte.
»Er haut ab, Solveigh«, keuchte Dominique auÃer Atem, offensichtlich
war er ihm auf den Fersen.
»Okay, bleib dran. Ich komme«, sagte sie, knallte einen
50-Euro-Schein auf den Tisch und verlieà das Lokal. Sie steckte den Ohrstöpsel
ihres ECSB-Handys ins Ohr, setzte die Brille mit der Videofunktion auf und
wählte Eddys Nummer in Amsterdam.
»Eddy, Konferenzschaltung mit Dominique und sein Aufenthaltsort,
sofort.«
Eddy funktionierte wie immer tadellos: Ohne Zeit für eine Antwort zu
verschwenden, stellte er eine zweite Verbindung zu Dominique her, und sie
wusste, er hatte längst den GPS-Tracker aktiviert, und in der ECSB-Zentrale
erschien eine Karte von Athen mit ihren beiden Positionen an der Wand.
»Die StraÃe runter und nach fünfzig Metern rechts.«
Solveigh rannte, dass die Absätze ihrer Stöckelschuhe auf dem
Asphalt des Gehsteigs ein schnelles Stakkato anstimmten. Klar würde Eddy von
selbst draufkommen, den Fahrer ihres Wagens parallel zu instruieren, ihnen zu
folgen. Für den Fall, dass sie einen fahrbaren Untersatz benötigten.
»Nächste links. Du holst auf. Dominique, die Brille bitte«,
instruierte Eddy.
»Vergessen. Sorry«, presste Dominique hervor.
Jetzt war nicht die Zeit für Anschuldigungen, auÃerdem war es sein
erster Tag, erinnerte sich Solveigh. Zwei StraÃenzüge weiter hatte sie ihn
eingeholt. Sie gingen hinter einem Zeitungskiosk in Deckung. Thanatos
schlenderte scheinbar ziellos durch die StraÃen. Er blieb mal hier an einem
Schaufenster stehen, ein anderes Mal sprach er kurz mit einem Früchtehändler.
»Glaubst du, dass er dich bemerkt hat?«, fragte Solveigh.
»Ich denke nicht.«
Solveigh, die in der Verfolgung von Personen speziell ausgebildet
war, war sich da nicht so sicher. Der Trick, ein Schaufenster als Spiegel zu
benutzen, um mögliche Verfolger zu identifizieren, war ein alter Hut. Aber
leider ein effektiver alter Hut.
»Wir trennen uns. Ich brauche andere Klamotten. Das Kostüm ist viel
zu auffällig, damit falle ich auf wie Prinz Harry in einer Londoner
Schicki-Disco. Bleib du an ihm dran, ich gehe mich umziehen.«
Solveigh stürmte ins erstbeste Geschäft, die Filiale einer
schwedischen Modekette, griff sich wahllos eine Jeans mit passendem dunklem
Pullover sowie ein paar Vintage-Turnschuhe mit Gummisohle und hetzte weiter in
die Umkleidekabine, die nach abgestandenem Schweià roch, sodass sie sich
zwingen musste, möglichst flach zu atmen. Entschuldige, Marcel, dachte sie, als
sie wieder stand, und warf das sündhaft teure Chanel-Outfit achtlos auf den
Boden, um so schnell wie möglich in Hose und Pulli zu schlüpfen. Sie
verschwendete nur einen Sekundenbruchteil ihrer Gedanken an Eddy, der in
Amsterdam auch mitverfolgen konnte, wie sie sich umzog. Sie vertraute ihren
Kollegen blind, und Prüderie konnte ihr wahrlich niemand vorwerfen. Und selbst
wenn er einen Mitschnitt auf der Festplatte speicherte â es hatte in der
Vergangenheit weit pikantere Szenen gegeben. Nach dem schnellen
Kleidungswechsel stopfte sie noch das Bündel Geldscheine in die Hose und
entnahm der Handtasche ihre Pistole, die sie in den Bund ihrer Jeans steckte.
Das kalte Metall auf ihrer nackten Haut sandte einen prickelnden Impuls durch
ihre Nervenbahnen.
Anstatt sich an der Kasse anzustellen, drückte sie einer verdatterten
Verkäuferin die Etiketten ihrer neuen Klamotten in die Hand, inklusive einem
weiteren zerknüllten 50-Euro-Schein aus ihrer Hosentasche. Das Kostüm hatte sie
in der Kabine zurückgelassen,
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