Operation Macho
schon ein Zimmer im Rotlicht-Motel habe.“
„Du machst Witze.“ Ihr Vater hatte immer darüber gescherzt, dass er dort hinziehen würde, um ihre Mutter damit zu reizen. Sicher hatte er das nicht in die Tat umgesetzt.
„Zugegeben, das war wohl ein Fehler.“
„Du wohnst wirklich im Rotlicht-Motel?“ In Gedanken sah sie das schäbige Motel im Amüsierviertel von Springfield bereits vor sich. An jeder Ecke standen Zuhälter und Dealer.
„Ich hätte stattdessen ins ‚Holiday Inn‘ gehen sollen. Hier gibt es kein Telefon im Zimmer. Jetzt stehe ich gerade im Shop für Reizwäsche und Videos, um mit dir zu sprechen.“
Lynns Gedanken überschlugen sich. „Dad, du kannst dort nicht bleiben. Das ist eine wilde Gegend.“
„Ich wollte mir das hier immer schon mal ansehen, Spätzchen. Außerdem hatte ich gehofft, dass deine Mutter vor Wut platzen würde, wenn ich sie aus diesem Motel anrufen würde, aber das geht nun gar nicht.“
„Das ist auch ein Punkt. Wie soll ich dich denn erreichen?“
„Das überlege ich mir und rufe dich dann wieder an.“ Er senkte die Stimme. „Du würdest nicht glauben, wie sich einige der Frauen hier anziehen. Sie … oh, ich muss auflegen. Hier will jemand telefonieren, und die Dame sieht sehr entschlossen aus. Sie trägt einen Ring in der Unterlippe.“ Jetzt flüsterte er. „Und sie ist überall tätowiert.“ Dann legte er auf.
Lynn atmete tief durch, bevor sie wieder mit ihrer Mutter telefonierte. „Ich muss los, Mom. Heute Nachmittag rufe ich dich wieder an, und ich hoffe wirklich, dass du und Dad wieder vernünftig werdet.“
„Dann wende dich an den Sturkopf. Er will doch nicht einsehen, was das Vernünftigste ist.“
Ihrer Mutter zu erzählen, dass der Sturkopf gerade auf der anderen Leitung gewesen war, hielt Lynn für unklug. Sie brauchte nicht zu erfahren, dass ihr Ehemann jetzt die lebhafteren Viertel von Springfield erkundete. „Mach’s gut, Mom.“ Sie legte auf und sah zu Tony. „Ich kann das nicht glauben. Gestritten haben sie sich immer, aber es war noch nie so ernst.“
„Daraus schließe ich, dass es noch nie um Scheidung ging.“
„Niemals. Aber es scheint so, dass meine Mutter seit diesem Seminar zur Selbstfindung ihr gesamtes Leben umkrempeln will. Das überrascht mich alles nicht weiter, aber dieses Gerede von Scheidung … das ist einfach verrückt. Sie haben immer von der Zeit geträumt, wenn ich auf eigenen Füßen stehe und die Hypothek auf ihr Haus abbezahlt ist. Letztes Jahr ist Dad vorzeitig in Ruhestand gegangen, und …“ Sie blickte Tony an, als ihr die Wahrheit dämmerte. „Die beiden langweilen sich zu Tode, stimmt’s?“
„Sieht so aus. Von solchen Pärchen haben wir viele hier in der Kanzlei gesehen. Allerdings habe noch kein Paar erlebt, das sich scheiden lässt, weil es sich nicht darauf einigen kann, eine Grabstätte zu teilen.“
„Sie werden sich nicht scheiden lassen. Dafür werde ich sorgen.“ Entschlossen verschränkte sie die Arme und blickte Tony so wütend an, als wolle er das Gegenteil behaupten.
„Sicher geht das schnell wieder vorbei“, beteuerte Tony ernsthaft.
Gern hätte sie ihm das geglaubt. „Mir gefällt die ganze Sache nicht. Mein Dad nimmt sich ein Zimmer im Rotlichtviertel, und meine Mutter bricht wegen der Gräber einen Streit vom Zaun. Hier geht es nicht um das übliche Gezänk wie zum Beispiel darüber, wer in der Nase bohrt, wer mit dem Fuß wippt oder wer die Zeitung zuerst liest.“
Tonys Mundwinkel zuckten verräterisch.
„Lach jetzt bloß nicht.“
„Ich? Lachen? Niemals. Ich bin todernst.“
„Na ja, langweilig ist es mit meinen Eltern nie.“
„Und du warst immer diejenige, die die Ruhe bewahrt hat.“
Lynn lehnte sich zurück. „Ja, ich war immer die Stimme der Vernunft.“
„Ach, das würde ich nicht so sagen. Schließlich hast du nach meiner Scheidung vorgeschlagen, dass wir den Abend im Vergnügungspark verbringen.“
Bei dieser Erinnerung musste Lynn lächeln. Sie waren durch die Vororte gefahren, bis sie entdeckt hatte, wonach sie suchte. Autoscooter, Flippergeräte, bunte Lichter und viele Menschen. „Das war eine Ausnahme. Normalerweise tue ich so etwas nicht für Klienten.“
„Nur für besondere Fälle.“
„Du warst kein Klient. Soll ich etwa einem guten Freund und Kollegen Geld abnehmen? Außerdem hat Michelle dir damals derart …“ Sie sah seinen Gesichtsausdruck und verstummte.
„Michelle hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Das wolltest du
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