Operation Macho
Hörer abnahm, fragte er sich, ob Lynn ihm noch in letzter Minute irgendwelche Anweisungen geben wollte.
„Tony?“
Es war Michelle, und sie klang, als habe sie geweint. Tony bemühte sich, kein Mitgefühl zu empfinden. „Ja, Michelle?“
„Hast du zu tun?“
Er verspannte sich. „Eigentlich schon. Was gibt’s denn?“
„Ich würde gern …“ Sie schniefte. „Ich würde gern zu dir kommen, wenn das geht.“
Er blickte auf die Uhr. Wenn Michelle ihn abends um elf Uhr sprechen wollte, bedeutete das, dass sie Probleme mit Jerry hatte. Jerry hatte Tonys Aktien verwaltet, mit ihm zusammen Handball gespielt und sich nachmittags mit Tonys Frau amüsiert.
„Ich weiß, dass es schon spät ist.“ Michelles Stimme zitterte. „Aber ich muss einfach mit irgendjemandem reden.“
Tony seufzte. „Also schön.“
„Danke, Tony.“
„Keine Ursache. Dafür sind Exmänner doch da.“ Er legte auf und fragte sich, wieso er ihr nicht gesagt hatte, sie solle ihn einfach in Ruhe lassen. Nach allem, was sie ihm angetan hatte, hätte sie eine Abfuhr verdient, doch er hatte ihr trotz allem sein halbes Vermögen überlassen. Durch seinen Beruf wusste er, dass bei einer Scheidung niemand ganz unschuldig war. Er hatte sich zu sehr auf seine Karriere konzentriert und Michelle zu oft allein gelassen. Jerry hatte leichtes Spiel gehabt.
Die ersten Ehejahre waren wundervoll gewesen. Doch dann hatte Tony sich immer mehr in seinen Job gestürzt und nicht bemerkt, dass der Zauber in seiner Ehe langsam verflog.
Während er weiter einpackte, verdrängte er, so gut es ging, die Erinnerungen an Michelle. Als Lynn das „Unternehmen Gigolo“ zum ersten Mal vorschlug, hatte er sich innerlich dagegen gesträubt, aber schon seit Wochen wollte er sich mit Lynn verabreden. Er hatte sich nur zurückgehalten, weil er befürchtete, sie würde ihm unterstellen, er suche nur nach einer Frau, um sich von seiner gescheiterten Ehe abzulenken. Als Scheidungsanwälte wussten sie beide, dass Menschen in seiner Situation oft panisch und unüberlegt einen neuen Partner suchten.
Vielleicht suche ich wirklich nur Zerstreuung in einer Affäre, überlegte er sich. Dann ist es sicher gut, wenn Michelle jetzt kommt. Ich habe sie seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen.
Beim Blick in seine Reisetasche fragte er sich, ob er etwas vergessen hatte. Zigaretten. Lynn hatte etwas davon gesagt, dass er rauchen sollte, doch Tony hatte das Rauchen vor Jahren aufgegeben. Allerdings hatte Sam, ein Anwaltskollege, seine Packung bei Tony vergessen, und in der Küche fand Tony die angebrochene Schachtel in einer Schublade.
Er schüttelte eine Zigarette heraus und schirmte das Streichholz mit der Hand ab, während er sie anzündete. Seltsam, wie er nach all den Jahren sofort wieder in die alten Bewegungen verfiel. Wenn er darauf achtete, dass er nur in Gegenwart von Lynns Eltern hin und wieder rauchte, verfiel er vielleicht nicht wieder in die alte Sucht.
Es klingelte an der Tür, und er zog noch einmal, bevor er ging, um Michelle hereinzulassen.
„Tony!“ Schluchzend warf sie sich ihm dramatisch in die Arme.
Fast hätte er sie mit der Zigarette verbrannt, während er Michelle auffing. „Immer mit der Ruhe.“ Einen Arm legte er ihr um die Schultern und führte sie zum Sofa. „Was hast du denn für ein Problem?“
Sie ließ sich auf das Sofa fallen und sah ihn durch die Tränen hindurch an. Sie trug künstliche Wimpern, doch die auf dem rechten Auge klebten nicht mehr richtig, sodass sie bei jedem Blinzeln wie ein betrunkener Schmetterling auf und ab wippte.
„Wimpernalarm“, sagte er unwillkürlich. Er hatte schon vergessen, dass Michelle die Dinger nie richtig befestigt hatte. Allerdings war sie nach wie vor davon überzeugt, dass ihre eigenen blonden Wimpern viel zu kurz und unauffällig waren. Auch ihre Haare fand sie nicht voll genug und ließ sich immer künstliche Strähnen in ihre Frisur einarbeiten. Niemals hatte Tony ihr einfach durchs Haar streichen können, ohne sich an den Metallklammern zu stechen.
„Danke.“ Sie zog sich rechts die Wimpern ab, wodurch sie tatsächlich sehr interessant aussah. Das linke Auge wirkte zu jeder Party bereit, während das rechte aussah, als sehne es sich nur nach Schlaf. Wieder fing Michelle zu schniefen an und kramte in ihrer Handtasche. „Mist. Hast du zufällig …“
„Hier.“ Aus der Hosentasche zog er ein Taschentuch und reichte es ihr. Während sie sich die Nase putzte, rauchte Tony weiter und
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