Operation Overkill
Herkunft zu verbergen.
An diesem Morgen lud Abbas die über Nacht eingegangenen Meldungen herunter, stieß aber nur auf eine einzige E-Mail des deutschen Anbieters. Die las er sorgfältig durch und brummte dann zufrieden. Et-wa auf der Hälfte der Seite befanden sich ein paar Zeilen, die aussahen, als wäre der Text verrutscht. Abbas markierte die Stelle und kopierte sie ins Textverarbei-tungsprogramm, dann klinkte er sich aus dem Internet aus und schloss den Outlook Express. Den kopier-ten Text entschlüsselte er mit dem 128-Bit-PGP-Programm, wobei er seinen persönlichen Schlüssel benutzte, und las die Nachricht zweimal durch. Der Inhalt beunruhigte ihn, und ihm war klar, dass er Khamil sofort Bescheid geben musste.
Vierzig Minuten lang arbeitete Abbas am Computer und setzte eine Nachricht auf, die nur für Sadoun Khamil bestimmt war. Dann verschlüsselte er sie und bettete sie in eine andere E-Mail-Reklame ein, diesmal 122
eine von einem spanischen Absender. Dann sorgte er dafür, dass sie ebenso wie die eingehenden Meldungen über mehrere Server umgeleitet wurde, ehe sie in Saudi-Arabien ankam.
SWR-Zentrale, Jasenewo, Moskau
Eine nahezu unlösbare Aufgabe, dachte Sokolow, als er die Aktenstapel und Ordner betrachtete, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Er war sich nicht einmal sicher, ob Nikolai Modin Recht hatte, dass einer der Männer, deren Akten er überprüfte, tatsächlich ein Verräter war. Es wäre durchaus möglich, dass die Amerikaner das Spionageflugzeug nur eingesetzt hatten, weil sie das Waffentestgelände fotografieren wollten.
Außerdem stand er unter Zeitdruck. Sokolow warf einen Blick auf seinen Schreibtischkalender – nur noch drei Wochen, bis das Projekt Podstawa verwirklicht werden sollte. Drei Wochen, in denen er die Akten von einundzwanzig ranghohen GRU- und SWR-Offizieren überprüfen musste, darunter viele persönliche Freunde, und auf eine einzige Unstimmigkeit, einen einzelnen Hinweis achten musste, der möglicherweise darauf hindeutete, dass der Mann nicht vertrauenswürdig war. Tatsächlich waren mit ihm und Modin dreiundzwanzig Offiziere in das Projekt eingeweiht. Dazu kam Minister Truschenko, aber den durften weder Modin noch er überprüfen.
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Sokolow drückte auf die Taste der Gegensprechanlage und bestellte sich eine weitere Tasse mit dem starken schwarzen Tee, den er so liebte. Dann griff er zu der Liste mit den geplanten Maßnahmen, die er mit Modin abgesprochen hatte, und überflog sie. Die Privatanschlüsse wie auch die Bürotelefone aller einundzwanzig Männer waren angezapft – das war nichts als Zeitverschwendung, da nur ein Idiot sein eigenes Telefon benutzen würde, wenn er einem ausländischen Agenten Geheimnisse verraten wollte. Auch die Post der betreffenden Leute wurde abgefangen, aber davon versprach sich Sokolow ebenso wenig. Falls es einen Verräter gab, davon war Sokolow überzeugt, konnte man ihn nur durch persönliche Überwachung entlarven. Man musste feststellen, wohin er ging, mit wem er redete, zu wem er auf der Straße Kontakt hatte, auch wenn er nur an ihm vorbeiging oder neben ihm stand. Die Beschatter waren eingeteilt und einsatzbereit, und mehr konnte man nicht tun, von der genauen Überprüfung der Personalakten einmal abgesehen.
Die Tür ging auf, und Sokolows Adjutant trat ein und brachte ein Tablett mit Tee und süßen Keksen, das er vor dem General abstellte. Sokolow bedankte sich mit einem kurzen Nicken und griff zur nächsten Akte. Er warf einen Blick auf den Namen – »Bykow« –
, schlug sie dann auf und betrachtete das Foto eines Mannes mit scharf geschnittenen Zügen, der die Uniform eines Artillerieoffiziers trug.
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Hammersmith, London
Simpson stand auf und ging ans Fenster, von dem aus man freien Blick auf die Hammersmith Flyover hatte.
Einen Moment lang fummelte er mit seinen kleinen, rosigen Händen zwischen den Kakteen herum, ein Zeichen dafür, dass er in Gedanken mit etwas anderem beschäftigt war, dann kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und setzte sich wieder. »Erklären Sie das«, herrschte er Richter an.
»Zunächst zur Leiche«, erwiderte Richter. »Selbst für einen frontalen Zusammenstoß bei hoher Geschwindigkeit waren die Kopfverletzungen sehr schwer. Nach Aussage der russischen Behörden prallte der Wagen mit etwa achtzig Stundenkilometern auf das Heck eines geparkten Lastwagens. Dazu gehört einiges, vor allem mit einem russischen Auto auf einer Moskauer Seitenstraße. Trotzdem passen
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