Operation Overkill
erhalten. In Amerika.«
Khamil lächelte ebenfalls – der spöttische Unterton war ihm nicht entgangen. »Was könnte die Sache zum Scheitern bringen?«
Abbas grinste. »Nichts, Sajidi . Sie wird gelingen.«
Khamil nickte, dann warf er Abbas einen scharfen Blick zu. »Woher willst du das wissen? Woher willst du wissen, dass es gelingt?«
Abbas war einen Moment lang sprachlos. »Das war 15
einfach so dahingesagt, Sajidi . Ich habe damit gemeint, dass dieses Vorhaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gelingen wird. Es kann so gut wie nicht scheitern.«
Khamil schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kenne dich seit vielen Jahren und weiß, dass du dich stets klar ausdrückst. Du hast gesagt, dass dieses Vorhaben gelingen wird. Deshalb frage ich dich noch einmal. Woher willst du das wissen?«
Abbas stand schweigend vor dem Tisch, während ihm ein Gedanke nach dem anderen durch den Kopf schoss. Er kannte Khamil, wusste, dass er sich nicht mit Wortklaubereien abspeisen ließ. Khamil konnte augenblicklich erkennen, ob man aufrichtig war oder Ausflüchte machte, und er fragte ebenso beharrlich wie geduldig nach, bis er die ganze Wahrheit erfuhr.
Abbas wurde klar, dass er ihm reinen Wein einschen-ken musste, so peinlich ihm das auch sein mochte.
»Ich habe ein Buch gelesen, Sajidi «, setzte er an.
Fünf Minuten später ließ sich Khamil zurücksinken und lachte. »Aha, Hassan, jetzt wissen wir also, woher du deine Einfälle hast. Aus dem Gesabber eines Un-gläubigen, der vor fünfhundert Jahren seine Visionen aufgeschrieben hat. Was für ein Unsinn!«
Abbas schüttelte leicht den Kopf. »Verspotten Sie mich meinetwegen, Sajidi , aber die Weissagungen dieses Nostradamus deuten darauf hin, dass dieser Plan gelingen wird. Und außerdem«, fügte er hinzu, »sind auch andere Prophezeiungen von ihm in Erfüllung gegangen, zum Beispiel der Sturz des Schah.«
16
Khamil lächelte nach wie vor, aber er schüttelte den Kopf. »Das ist doch alles Unsinn, Hassan. Die Zukunft lässt sich nicht vorherbestimmen, das weißt du genau.
Aber wenn du dich unbedingt auf die wirren Worte eines Franzosen verlassen willst, der seit fünfhundert Jahren tot ist, dann soll das deine Sache sein. Es erspart mir viel Mühe, weil ich dadurch nicht lange über einen Codenamen für dich nachdenken muss. Ich werde dich einfach ›Prophet‹ nennen.«
1
Dienstag
Lubjanskaja Ploschtschad, Moskau
Der Mann, der im Lubjanka-Gefängnis lag, war dem Tod geweiht, aber er hatte keine Ahnung, warum.
Kein Mediziner auf der Welt hätte ihm eine Diagnose stellen können, denn er war nicht krank, aber trotzdem war er dem Tod geweiht, und keine Heilkunst konnte ihn retten. Um Viertel nach vier hatte er noch etwa vier Stunden zu leben. Er wusste es. Seine Wärter wussten es. Und die Techniker in den weißen Kitteln, die den Tisch und die Geräte in dem schalldichten Vernehmungszimmer vorbereiteten, wussten es ebenfalls.
Er wusste ganz genau, dass er nie wieder die Sonne, den blauen Himmel oder die Wellen sehen würde, die sich an der felsigen Küste von Northumberland brachen, seiner Heimat. Ihm blieb nur noch eine kurze Frist, begrenzt auf vier verblichene Betonwände seiner Gefängniszelle und den im Keller des KGB-Gefängnis-ses gelegenen Vernehmungsraum, in dem sie ihn tö-
ten würden.
Als sie kamen, um ihn zu holen, schluchzte er vor Verzweiflung, aber als ihm der Wärter die Hand auf die Schulter legte und ihn von der fleckigen Matratze 18
hochziehen wollte, schrie er auf und setzte sich blindlings mit Fäusten, Füßen und Zähnen zur Wehr. Der Kampf war kurz und sinnlos. Der Gefangene verlor das Bewusstsein, als ihn der Totschläger am Hinterkopf traf, und als er wieder zu sich kam, hatten sie den kurzen Weg zum Vernehmungsraum bereits hinter sich, und er war nackt auf dem Tisch festgeschnallt.
Ein älterer, grauhaariger Mann mit arglos leuchtenden blauen Augen und einem kurzen weißen Bart beugte sich über ihn und blickte lächelnd herab. »Gut.
Sie sind wach. Nein, versuchen Sie noch nicht zu sprechen. Erst möchte ich Ihnen ein paar Sachen er-klären.« Der Russe sprach fließend Englisch, mit einem leichten amerikanischen Akzent. Er beugte sich näher. »Ich stamme aus der alten Schule, wie ihr Briten das bezeichnet. Ich bin ein Vernehmungsspezialist von altem Schrot und Korn. Ich setze Drogen ein, Wahrheitsdrogen, Skopolamin und Natriumpento-thal, aber sie sind nicht zuverlässig. Außerdem kann man lernen, wie man sich
Weitere Kostenlose Bücher