Operation Romanow
Südosten der Stadt fuhr. Als ich bei Jakow zu Hause angerufen hatte, hatte mir die Haushälterin mitgeteilt, er sei wieder im Krankenhaus.
Er hatte ein Privatzimmer mit Blick aufs Meer.
Jakow drückte mir freundlich die Hand. »Dr. Pawlow. Ich freue mich, Sie zu sehen.«
Er schien in guter Stimmung zu sein, doch er sah noch hagerer aus, und seine Augen lagen in tiefen Höhlen. An seinen mit blauen Flecken übersäten Armen hingen Infusionen. »Sind Sie weitergekommen?«
»Es passt alles zusammen, alles, was Sie gesagt haben. Alle Puzzleteile sind miteinander verzahnt. Das gebe ich zu.«
»Aber?«
»Es ist nur … ich weiß nicht … irgendwie unglaublich. Verstehen Sie mich nicht falsch. All diese Begebenheiten, über die Sie sprachen. Sie passen alle fast zu perfekt zusammen. Ich habe erstaunliche Übereinstimmungen entdeckt – über Boyle, Andrew, Lydia und die anderen Personen, die an der Rettungsaktion beteiligt waren. Und das hat mich sehr überrascht.«
»Erzählen Sie es mir.«
Ich zog ein dickes Notizbuch aus meiner Aktentasche. »Nehmen wir zum Beispiel den gestrigen Tag. Ich habe ihn damit verbracht, in Archiven in Dublin zu recherchieren und etwas über Lydia Ryan zu lesen.«
»Und was haben Sie erfahren?«
»Sie war tatsächlich als Waffenschmugglerin für die irischen Republikaner tätig. Der irische Rebellenanführer Michael Collins hat sie bewundert. Nach einem Gefecht mit britischen Soldaten im Frühsommer 1918 verschwand sie und wurde nie wieder gesehen. Ich warte ungeduldig darauf, dass Sie mir erzählen, was ihr zugestoßen ist!«
»Dazu kommen wir noch. Fahren Sie bitte fort. Was haben Sie noch herausgefunden?«
»Trotzki bekam am Ende das, was er verdiente. Er überwarf sich mit Stalin, wurde des Landes verwiesen und schließlich auf Stalins Befehl hin ermordet. Lenin entkam der Bestrafung ebenfalls nicht. Sechs Wochen nach den Ereignissen in Jekaterinburg schoss eine Frau namens Fanja Kaplan auf ihn und verwundete ihn schwer. Lenins Gesundheit war nach diesem Attentat schwer angegriffen. Er erlitt später einen Schlaganfall und starb 1924.«
»Und die Attentäterin?«
»Lenin ließ sie hinrichten. Über diese Fanja Kaplan habe ich noch etwas Interessantes herausgefunden. Sie soll eine von Joe Boyles Agentinnen gewesen sein.«
Jakow nickte. »Vielleicht mit ein Grund, warum Boyle den Orden verliehen bekam und seine Beteiligung niemals zugab. Lenins Tschekisten hätten ihn zur Strecke gebracht.«
»Das sind aber noch nicht alle mysteriösen Geschehnisse, die ich ausgegraben habe. 1920 wurde in den USA ein Buch mit dem Titel Die Rettung des Zaren veröffentlicht. Angeblich soll es die Wahrheit über das Verschwinden der Romanows enthalten. Das Buch beschreibt detailliert eine Rettungsaktion durch die Tunnel, die unter dem Ipatjew-Haus verliefen. Es gibt sogar vage Hinweise auf Irland. Erstaunlich ist jedoch Folgendes: Es wurde gerade über die Filmrechte verhandelt, als der Geheimdienst der USA den Verkauf des Buches verbot. Ein Vertrauter von Präsident Woodrow Wilson drückte es seinerzeit so aus, dass dieses Verbot ›für das Land von größter Bedeutung sei‹.«
»Es wird immer seltsamer, nicht wahr?«
»Mit Sicherheit. Und dann ist da noch das Flugzeug, diese Ilja Muromez .«
»Ich habe mich schon gefragt, wann Sie darauf zu sprechen kommen.«
Ich warf einen Blick in meine Notizen. »Am 8. Juli 1918 stürzte fünfzig Kilometer von Sankt Petersburg eine Maschine dieses Typs ab. Es stellte sich heraus, dass sie dieselbe Fahrgestellnummer hatte wie eines der Flugzeuge, das Igor Sikorski bei seiner Flucht aus Russland mitgenommen hatte. Sikorski wanderte nach Amerika aus, wo er als Flugzeugbauer erfolgreich wurde und im Jahr 1974 starb. Und wissen Sie was? Er kannte Boyle.«
Jakow lächelte, doch dann wurde er wieder ernst. »Und was haben Sie über die Nonnen des Nowo-Tichwinski-Klosters herausgefunden?«
»Die Roten haben die beiden Novizinnen, Marija und Antonina, hingerichtet. Schwester Agnes wurde ebenfalls ermordet, das Kloster wurde geschlossen. Alle anderen Nonnen wurden entweder erschossen oder in Straflager verbannt.«
»Haben Sie eine Erklärung für ihre Ermordungen gefunden?«
»Keine, die Sinn ergibt, außer ihrer Beteiligung an dem Rettungsversuch.«
»Und Hanna Wolkowa?«
»Sie überlebte den schweren Unfall und verkaufte später ihr Anwesen in Irland.« Ich sah wieder in meine Aufzeichnungen. »Jahrzehntelang legte eine geheimnisvolle Frau an jedem
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