Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
herumschwirrt, heißt das, irgendwas ist im Busch. Vielleicht ist es unklug, sein Glück herauszufordern.«
Slanski zog die Brieftasche heraus und untersuchte seine Papiere und Essensmarken. »Vielleicht bietet sich uns hier die Chance herauszufinden, ob unsere Papiere was taugen. Ich würde sagen, es ist ein so guter Zeitpunkt wie jeder andere.« Er lächelte Anna an. »Was hältst du davon?«
»Vielleicht hat Toomas recht. Es ist vielleicht sicherer, hierzubleiben. Aber wenn du glaubst, wir sollten es versuchen …«
Slanski grinste. »Du spielst die gehorsame Frau sehr gut. Sie überläßt die Entscheidung brav dem geliebten Gatten.«
»Dann können wir nur hoffen, mein Liebling, daß du die richtige Entscheidung getroffen hast.«
Slanski steckte die Brieftasche wieder ein. Er sah Gorews besorgte Miene. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind im Nu wieder da. Haben Sie einen Stadtplan?«
Wieder wischte Gorew sich nervös die Hände an der Schürze ab. »Im Hinterzimmer. Hoffentlich wissen Sie, was Sie tun. Und wenn Sie schon weggehen müssen, dann bleiben Sie nur eine Stunde fort, nicht länger. Sonst komme ich noch um vor Sorge.«
Lukin erwachte um kurz nach acht. Sein Kopf tat weh und sein Mund war trocken. Er hatte nur drei Stunden geschlafen, und unter seinen Augen lagen tiefe Schatten.
Nachdem er sich rasiert hatte, brachte ihm eine Ordonnanz ein Tablett mit einem Samowar. Der Tee schmeckte scheußlich, doch Lukin trank durstig die heiße Flüssigkeit und ließ die verbrannte Scheibe Toast unberührt auf dem Teller liegen.
Fünf Minuten später zog er sich an, als es an der Tür klopfte und Kaman eintrat.
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie störe, Genosse Major, aber es gibt Neuigkeiten.«
Lukin nahm seine Handprothese, die neben ihm auf dem Bett lag, und legte sie an. Er sah, wie der Hauptmann beim Anblick seines Armstumpfes zusammenzuckte.
»Was haben Sie denn? Sehen Sie zum ersten Mal eine Kriegsverletzung?«
Kaman errötete. »Ich habe mich nur gerade gefragt, wie Sie sich rasieren.«
»Sehr umständlich. Ihr Bericht, Kaman.«
»Die Patrouille ist zu Fuß bis auf zwanzig Meter an die Absturzstelle herangekommen. Bei der einen Maschine handelt es sich eindeutig um die vermißte Mig.«
»Und die andere?«
»Ist ein Leichttransportflugzeug unbekannten Typs. Aber es ist auf keinen Fall eines von uns.«
»Wie viele Leichen?«
»Zwei. Der Mig-Pilot und der Pilot der anderen Maschine. Die Patrouille ist nicht nahe genug herangekommen, um die Toten zu bergen. Offenbar war sowieso nicht mehr viel von ihnen übrig. Beide scheinen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt zu sein.«
Lukin trat vor die Landkarte. »Jedenfalls können sie uns nicht weiterhelfen. Haben die Kontrollpunkte schon etwas gemeldet?«
»Nichts, außer einem halben Dutzend Deserteure und einem Schwarzhändler. Einer der Deserteure hat einen Fluchtversuch unternommen und wurde dabei verwundet.«
»Hervorragend. Wenigstens haben wir dem Staat einen Dienst erwiesen.«
»Genosse?«
»Ein kleiner Scherz am Rande, Kaman. Glauben Sie, daß die estnischen Widerständler unserer Beute helfen?«
»Das ist möglich, aber normalerweise beschränkt sich ihr Operationsgebiet auf den Wald. Die nächstgelegene Gruppe, von der wir wissen, lagert etwa hundert Kilometer östlich von hier.«
Lukin ging ans Fenster und blickte auf den Kasernenhof hinunter. Ein paar Dutzend Soldaten marschierten in Doppelreihen vorbei. Es war immer noch dunkel.
»Haben Sie schon mal Turgenjew gelesen, Hauptmann?« fragte er, ohne sich umzudrehen.
Kaman zuckte mit den Schultern. »Ich stamme aus einer einfachen Bauernfamilie, Genosse Major. Bücherlesen war bei uns nicht so wichtig wie Kühe melken.«
Lukin lächelte. »Schon möglich, aber dennoch … Turgenjew hat ein interessantes Wort geprägt. Er pflegte zu sagen: ›Wenn du etwas suchst, vergiß nicht, auch hinter deinen Ohren nachzuschauen.‹«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wenn Sie ein feindliches Agentenpärchen in einer Stadt wie Tallinn verstecken müßten, wo würden Sie sie verbergen?«
Kaman kratzte sich das Kinn. »Es gibt viele Möglichkeiten. Ein Teil der Altstadt reicht bis ins vierzehnte Jahrhundert zurück, und die Stadt ist verschachtelt wie ein Kaninchenbau. Es gibt unterirdische Gewölbe und Durchgänge aus der Zeit der Schmuggler und Piraten. Ich bin sicher, daß wir von vielen Kellern und Tunnels gar nichts wissen.«
»Genau das meine ich.« Lukin dachte kurz nach. »Und die
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