Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
der Schenke sehen. Glücklicherweise hatte ich Ihre Namen noch nicht eingetragen. Als er den Dienstgrad der beiden KGB-Offiziere gesehen hat, ist er wieder abgezogen. Im Augenblick gibt es keine weiteren Probleme, aber insgesamt sieht die Lage alles andere als rosig aus.«
Gorew wischte sich aufgeregt die Hände an der speckigen Schürze ab und schenkte sich dann einen Wodka aus der Flasche ein, die Slanski auf dem Hocker neben dem Bett hatte stehen lassen.
»Nehmen Sie ruhig auch einen Schluck, Sie werden ihn brauchen. Es kommt nämlich noch schlimmer.«
»Raus damit.«
Gorew stürzte den Wodka in einem Zug hinunter und wischte sich den Mund mit der Hand ab. »Erik zufolge errichten Armee und Miliz überall Straßensperren. Bus- und Zugbahnhöfe sowie der Flughafen werden schärfstens kontrolliert. Es scheint, als würden sämtliche Ausweise überprüft. Offenbar ist gestern abend ein KGB-Major aus Moskau hier eingetroffen, der die ganze Operation leitet. Er heißt Lukin. Man munkelt, daß er unmittelbar Berija unterstellt ist. Erik sagt, er hat alles und jeden in Alarmbereitschaft versetzt. Die Miliz hat angeblich bereits einen Mann am Bahnhof erschossen. Der arme Kerl war Deserteur.«
»Weiß Erik genau, warum dieser Major Lukin in Tallinn ist?«
»Das ist der dickste Hund. Erik hat gehört, daß Lukin nach zwei Agenten sucht, die gestern abend mit dem Fallschirm abgesprungen sind. Offenbar ist eine Mig verschwunden und an der Küste abgestürzt. Noch gestern abend wurde eine Patrouille zu Fuß auf das vereiste Meer rausgeschickt. Heute morgen haben sie das Wrack gefunden, und noch eins von einer anderen Maschine, die mit der Mig in der Luft zusammengestoßen ist. Es handelt sich zweifellos um das Flugzeug, das Sie abgesetzt hat. Das erklärt, warum es in Tallinn von Armee und Miliz wimmelt wie von Fliegen auf dem Mist.«
Slanski wurde immer blasser. Er warf Anna einen Blick zu. Sie war ebenfalls schockiert. Er drehte sich wieder zu Gorew um.
»Aber woher konnte dieser Lukin von uns wissen?«
»Da fragen Sie mich zuviel. Vielleicht hat irgendein Ochse eure vergrabenen Fallschirme gefunden. Jedenfalls weiß er es, und das bedeutet Ärger für uns alle.«
Slanski sah, wie Anna sich auf die Lippe biß.
»Tja, Sie können leider nicht hierbleiben«, erklärte Gorew schnell, »soviel steht fest. Wenn man euch hier findet, wandere ich im besten Fall ins Gulag. Wenn ich Pech habe, kriege ich eine Kugel in den Hinterkopf. Beides keine besonders erfreulichen Aussichten. Eigentlich war vorgesehen, Sie in den Zug nach Leningrad zu setzen. Aber davon kann jetzt keine Rede mehr sein, weil der Bahnhof scharf bewacht wird. Selbst die Busse werden angehalten und die Fahrgäste kontrolliert. Und die Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen sind so schlimm wie am Kreml.«
»Welche Möglichkeit bleibt uns dann noch?« fragte Anna ängstlich.
Gorew strich sich nervös über den Bart. »Das weiß Gott allein. Normalerweise würden unsere Widerstandsgruppen euch im Wald verstecken. Aber es ist zu schwierig, euch durch die Straßensperren zu schleusen, und ihr nächstes Lager ist zu weit weg. Ich glaube kaum, daß Erik sich noch einmal den Lastwagen ausleihen kann. Das hieße, sein Glück herauszufordern. Außerdem scheint dieser Lukin sämtliche verfügbarenFahrzeuge und Soldaten in der Kaserne abkommandiert zu haben. Und selbst wenn Sie bis zu unseren Widerstandsgruppen durchkommen würden, gibt es da einige Risiken. Den Widerständlern kommt Ihre Gesellschaft im Augenblick bestimmt nicht gelegen, weil ihnen die Roten auch so schon genug Feuer unterm Hintern machen.«
Slanski schlug voller hilfloser Enttäuschung mit der Faust auf den Tisch.
»Verfluchter Mist!«
»Erik hat erzählt, daß sie ein Haus nach dem anderen auf den Kopf stellen werden, wenn sie euch nicht bis morgen gefunden haben.«
Anna blickte Slanski unentschlossen an. »Was tun wir jetzt?«
»Ich werde die Sache bis zum Ende durchziehen, so oder so. Aber wenn du dein Glück allein versuchen und dich bei den Partisanen verstecken willst, werde ich dich bei Gott nicht aufhalten.«
Sie dachte einen Moment nach und schüttelte dann den Kopf. »Nein, ich bleibe bei dir.«
»Dann haben wir keine Wahl. Wir müssen weg. Hier haben wir nicht den Hauch einer Chance.«
»Aber das ist unmöglich! Wie sollen wir aus Tallinn rauskommen?«
Gorew schenkte sich noch einen Wodka ein. »Ich würde ja Selbstmord vorschlagen, aber ich will Sie nicht beleidigen.«
Slanski
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