Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
hinunter, in dem rauh wirkende Arbeiter vor Gläsern mit Bier und billigem Wein saßen. Ein älterer Mann mit einer Schürze polierte hinter einem verzinkten Tresen Gläser. Er lächelte, als er Lebel sah, und ging auf ihn zu. »Hier entlang, Monsieur«, sagte er. »Folgen Sie mir bitte.«
Lebel folgte ihm durch einen Vorhang hinter dem Tresen, stieg eine kleine Treppe hinauf und gelangte über einen schäbigen Flur zu einer Tür.
Der Alte klopfte.
»Kommen Sie herein, wenn Sie gut aussehen«, antwortete eine Stimme.
»Ich bin’s, Claude. Ihr Besuch ist da«, sagte der Mann und öffnete Lebel die Tür.
Lebel betrat das winzige, rauchgeschwängerte Zimmer, von dessen Decke eine nackte Glühbirne an einem Kabel baumelte. Der Rest des Zimmers lag im Dunkeln. Ein uralter, zerkratzter Spiegel hing an einer Wand. Ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren saß an einem Tisch mitten im Zimmer. Er war klein, drahtig und hatte einen Buckel. Ihm fehlten zwei Vorderzähne, und sein abgetragener schwarzer Anzug war mit Zigarettenasche beschmutzt. Vor ihm standen eine Flasche Pastis und zwei Gläser.
Er zündete sich eine Gaulloise an und winkte dem Barkeeper. »Laß uns allein, Claude.«
Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, deutete der Mann auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Henri, mein altes Pflänzchen, schön Sie zu sehen.»
Lebel setzte sich und zog seine sündhaft teuren Lederhandschuhe aus. »Ich wünschte, ich könnte dasselbe von Ihnen sagen, Bastien.«
»Der geborene Diplomat, wie immer. Möchten Sie etwas trinken?«
»Sie wissen, daß ich nur Champagner trinke. Alles andere verträgt mein Magen nicht.«
Bastien grinste. »Das ist hart. Ich habe leider nur billigen Pastis da. Nicht mal der Parteivorsitzende kann sich die schöneren Dinge im Leben leisten, Henri.«
»Dann muß ich leider ablehnen.«
Bastien zuckte gleichgültig mit den Schultern und schenkte sich einen Drink ein. Er betrachtete Lebel, der einen teuren Anzug mit Seidenkrawatte und einer brillantenbesetzten Nadel trug. Der Kragen seines schönen, maßgeschneiderten Kamelhaarmantels war mit einem Zobelpelz besetzt.
Bastien lächelte, und seine fehlenden Schneidezähne hinterließen eine dunkle Lücke in seinem Gebiß. »Sie sehen blendend aus, Henri, wie immer. Gehen die Geschäfte gut?«
»Ich nehme nicht an, daß Sie mich hergebeten haben, um über ein so verabscheuungswürdiges Thema wie Geldverdienen zu plaudern. Kommen Sie bitte zur Sache. Worum geht es diesmal? Eine weitere Zuwendung an die Partei?«
Pierre Bastien stand auf. Lebel fand, daß der Mann gut in den Glockenturm von Notre-Dame gepaßt hätte.
»Eigentlich wollte ich nur ein nettes Gespräch führen, Lebel. Sie müssen nicht gleich bissig werden, Genosse.«
»Ich bin nicht Ihr Genosse!«
»Was denn? Zählen zwei Jahre gemeinsamer Kampf gegen die Deutschen nichts mehr?«
»Wir wollen doch mal klarstellen, wer gekämpft hat. Sie erzählen den Leuten zwar gern, daß die Gestapo Ihnen die Zähne ausgeschlagen und Ihren Rücken verletzt hat, aber wir beide wissen genau, daß es eigentlich ihre Exfrau war. Sie hat Sie die Treppe hinuntergeworfen, weil Sie sie und Ihre Kinder im Stich gelassen haben, als die Gestapo Ihr Haus durchsuchte. Das ist widerlich, Bastien, vor allem, weil wir alle wirkliche Gefahren und Foltern ertragen mußten, während Sie sich von einem sicheren Haus zum nächsten geschlichen haben und nie einen Schuß gegen die Deutschen abgefeuert haben, bis die Alliierten Paris befreiten. Und trotzdem haben Sie das Croix de la Guerre von De Gaulle angenommen. Außerdem sollten Sie wirklich etwas gegen die fehlenden Zähne unternehmen. Als Ehrenzeichen hat diese Zahnlücke allmählich ausgedient.«
Bastien warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Setzen Sie mich nicht herab, Lebel. Ich habe so viel getan wie alle anderen. Außerdem war es im Interesse der Partei wichtig, daß ich nicht gefangengenommen wurde. Schließlich brauchte die Partei jemand, der sie im Kampf nach dem Krieg anführen kann.«
»Natürlich. Vergessen Sie nicht, daß Sie gegen den Abschaum kämpfen, der so großzügig für Ihre Sache spendet. Kommen Sie zur Sache. Ich habe eine Verabredung im Maxime’s.«
»Zweifellos mit einem ihrer Models?« Bastien schnaubte verächtlich.
Lebel seufzte. »Der Neid wird Ihnen nichts nützen. Die Zeit in der Hölle des Konzentrationslagers, wo einem ständig der Tod im Nacken saß, hat mich zwei Dinge gelehrt: Erstens: Traue nur dir selbst.
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