Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
verängstigter Tiere. Als sie bemerkten, daß sie Lukin aufgefallen waren, verschwanden sie blitzartig.
Lukin lief es eiskalt über den Rücken, während er hinter der Matrone herging.
Die Datscha lag im Bezirk Ramenki, acht Kilometer vor Moskau.
Slanski verließ den Bus zwei Haltestellen früher und ging die letzten fünf Minuten eine birkengesäumte Straße bis zu der ihm angegebenen Adresse.
Das zweistöckige, grün angestrichene Holzhaus lag auf einem großen Grundstück, das von hohen Birken umgeben war. In der Nähe der Straße standen einige weitere Datschas, aber nach den geschlossenen Fensterläden zu urteilen, wohnte dort im Augenblick niemand.
Ein schmaler Pfad führte zur Haustür, und über die Länge der rechten Hauswand erstreckte sich ein Holzschuppen.
Slanski beobachtete das Haus fünf Minuten und schlenderte dabei die leere Straße auf und ab. Nach seiner wilden Flucht war er zwei Tage zu früh erschienen und wußte nicht, ob die Frau zu Hause war. Die Fensterläden waren geöffnet, doch hinter den Gardinen sah er keine Bewegung. Schließlich nahm er das Risiko auf sich, ging den Gartenpfad entlang und klopfte an die Tür.
Sekunden später wurde ihm von einer Frau geöffnet. Er erkannte sie nach Masseys Beschreibung.
Sie blickte ihn abschätzend an. »Ja, bitte?«
»Madame Dezowa?«
»Ja …«
»Ich bin ein Freund von Henri. Sie erwarten mich.«
Die Frau wurde sichtlich blaß. Sie musterte Slanski einige Augenblicke; dann blickte sie nervös auf die Straße.
»Kommen Sie herein.«
Sie führte ihn in die große Küche im hinteren Teil des Hauses. In einer Ecke heizte ein Ofen, und durch das Küchenfenster sah Slanski einen langen, breiten Garten mit verwitterten Obstbäumen und kahlen Gemüsebeeten.
»Sie sind zwei Tage zu früh«, sagte die Frau nervös. »Und sollten Sie nicht zu zweit sein? Ich habe einen Mann und eine Frau erwartet.«
Slanski schaute sie an. Man konnte nicht leugnen, daß sie gut aussah. Sie hatte eine weibliche Figur, breite Hüften und volle Brüste. Sie trug Nagellack, und ihre langen Fingernägel waren perfekt manikürt. Ihre Augenbrauen waren gezupft und nachgezeichnet. Sie trug keinen Ehering.
»Leider gab es ein Problem. Meine Freundin hat es nicht geschafft.«
»Was ist passiert?« fragte die Frau zögernd.
Slanski erzählte es ihr, ging aber nicht ins Detail und erwähnte auch Lukin nicht. Er sah die Angst auf dem Gesicht der Frau und sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen. Von Ihnen wissen sie nichts.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß Ihnen keine Gefahr droht.«
Während er die Frau beobachtete, bemerkte er, daß sie nervöser war, als er erwartet hätte, und das machte ihn mißtrauisch. Er sah die blaue Tätowierung mit der Nummer aus dem Konzentrationslager an ihrem Handgelenk; dann entdeckte er das Foto an der Wand. Es zeigte einen Mann in der Uniform eines Oberst. Der Mann besaß ein hartes, häßliches Gesicht, das aussah, als hätte man mit Gewehrkolben auf ihn eingeschlagen.
»Wer ist das?«
»Mein Ehemann, Viktor. Er ist im Krieg gefallen.«
»Mein Beileid.«
Die Frau lachte und warf einen verächtlichen Blick auf das Foto. »Sparen Sie sich das. Der Kerl war ein Schwein. Ich hätte ihn nicht mal vom Seil geschnitten, wenn sie ihn gehängt hätten. Nach seinem Tod habe ich nur eine Witwenrente und diese Datscha bekommen. Das Bild hängt nur da, damit ich nicht vergesse, wie gut es mir ohne ihn geht. An jedem Hochzeitstag betrinke ich mich und spucke auf das Foto. Sind Sie hungrig?«
»Ich sterbe fast vor Hunger.«
»Setzen Sie sich. Ich mache Ihnen etwas.«
Die Frau schnitt mehrere Scheiben Brot ab und stellte einen Teller mit feuchtem Schafskäse auf den Tisch. Während Slanski heißhungrig aß, erhitzte sie einen Topf Suppe auf dem Ofen und setzte sich dann mit zwei Gläsern Wodka zu ihm an den Tisch.
»Sie sehen aus, als wären Sie durch die Hölle gefahren.«
»Das kommt meinen Erlebnissen ziemlich nahe.«
»Greifen Sie nach Herzenslust zu. Ich mache Wasser warm, damit Sie sich waschen und rasieren können.« Die Frau rümpfte die Nase. »Sie stinken schlimmer als ein Viehtransport. Geben Sie mir zuerst mal Ihre Jacke und ihr Hemd. Irgendwo habe ich noch ein paar alte Sachen von Viktor. Die könnten Ihnen passen.«
»Wenn der KGB meine Freundin nach Moskau gebracht hat, wo könnte er sie da festhalten?«
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Im Lubjanka-Gefängnis. Oder man hat sie nach
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