Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Befreiungsarmee. Menschen säumten die Straßen und begrüßten die Soldaten der Wehrmacht. Frauen streuten Girlanden und Blumen auf die Straßen, während alle Verkehrswege nach Norden und Osten von der besiegten russischen Armee verstopft wurden, die sich in diesem Blitzkrieg vor den übermächtigen Deutschen zurückzog.
Aber nicht alle Sowjetkommandeure beugten sich der Stärke des Dritten Reiches. Einige blieben zurück und nahmen einen verzweifelten Partisanenkrieg auf, der den Deutschen einen blutigen Vorgeschmack darauf lieferte, was sie in den eisigen Steppen Rußlands erwartete.
Einer der russischen Offiziere war Brigadegeneral Igor Grenko.
Trotz seiner erst zweiundvierzig Jahre war er bereits Divisionskommandeur. Er war ein kühner Offizier und stand in dem Ruf, halsstarrig zu sein. Trotzdem hatte er die brutalen Säuberungen überlebt, mit denen Stalin am Vorabend des Krieges seine Armee dezimiert hatte. Damals war mehr als die Hälfte der älteren Offiziere entweder erschossen oder nach Sibirien deportiert worden. Viele ohne Verfahren – nur deshalb, weil Stalin sie in einem Anfall von Paranoia fälschlicherweise verdächtigte, einen Umsturz gegen ihn zu planen.
Irgendwann hatte Grenko eine gewisse Nina Sinjaking geheiratet, die Tochter eines armenischen Lehrers. Grenkohatte sie kennengelernt, als sie am Moskauer Institut eine engagierte Vorlesung über Lenin gehalten hatte, und sich sofort in sie verliebt. Sie war eine resolute, feurige junge Frau, die bemerkenswert gut aussah und ein ähnliches Temperament wie ihr Ehemann hatte. Nach zehn Monaten wurde ihr erstes und einziges Kind geboren.
Als die Deutschen auf Tallinn vorrückten, war Anna Grenko fünfzehn Jahre alt.
Die ursprünglichen Befehle Stalins nach Beginn des deutschen Unternehmens Barbarossa lauteten, sich so wenig wie möglich in einen Konflikt verwickeln zu lassen. Stalin klammerte sich fälschlicherweise an den Glauben, daß Hitler nicht weit in russisches Gebiet einmarschieren würde und daß die Feindseligkeiten bald beigelegt wären. Er hoffte, den Konflikt zu entschärfen, indem er die Deutschen nicht mit einem Gegenschlag reizte.
Igor Grenko sah das ganz anders.
Als Moskau ihm befahl, sich zurückzuziehen, weigerte er sich halsstarrig. Seiner Meinung nach ließ Stalin als Stratege eine Menge zu wünschen übrig. Grenko glaubte nicht, daß die Deutschen an der russischen Grenze haltmachen würden. Er war davon überzeugt, daß sich binnen weniger Wochen die Marschorder ändern und der Befehl ergehen werde, einen Partisanenkrieg zu führen. Er wurde vom Militärkommando aus Moskau mit Telegrammen bombardiert, in denen ihm befohlen wurde, sich zurückzuziehen. Er zerriß jedes Telegramm und schickte sogar eine dreiste Antwort. Was soll ich tun? Zusehen, wie die Deutschen meine Männer massakrieren?
Igor Grenko war der festen Überzeugung, daß die Geschichte Stalin des Irrtums überführen würde. Und er wußte, daß die ersten Wochen einer Schlacht genauso entscheidend sind wie die letzten. Als er jedoch die Telegramme nicht mehr länger ignorieren konnte, stiegen er und seine Männer in einen Truppenzug in der Nähe von Narwa und fuhren nach Moskau zurück.
Als der Zug im Bahnhof von Riga einlief, wurde Igor Grenko verhaftet und zu einem Wagen eskortiert. Als Anna Grenkos Mutter zu intervenieren versuchte, wurde sie barschweggestoßen. Man sagte ihr, daß die Verhaftung ihres Ehemannes sie nichts angehe.
Am nächsten Tag erhielten sie Besuch von der Geheimpolizei.
Nina Grenko wurde darüber informiert, daß ihr Ehemann vor ein Militärtribunal gestellt und der Befehlsverweigerung schuldig befunden worden war. Er war noch am selben Morgen im Rigaer Gefängnis Lefortowo exekutiert worden.
Einen Tag später wurden die neuen Einsatzbefehle von Stalin veröffentlicht.
Jeder Bürger solle die eindringenden Deutschen mit allen Mitteln bis zum Tod bekämpfen, und kein russischer Soldat durfte zurückweichen.
Für Igor Grenko kam dieser Befehl vierundzwanzig Stunden zu spät.
Nach dem Tod ihres Vaters wurde Anna Grenkos Heim in Moskau auf Befehl der Geheimpolizei konfisziert. Ihre Mutter konnte das Unrecht der Hinrichtung ihres Mannes nie verwinden. Im zweiten Monat der Belagerung von Moskau kam Anna Grenko nach Hause in die schäbige kleine Einzimmerwohnung, die Nina für sich und ihre Tochter gemietet hatte. Sie fand den Leichnam ihrer Mutter, die sich an einer Wasserleitung erhängt hatte.
Anna verkroch sich danach zwei
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