Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Tage lang im Bett. Sie aß nicht und schlief kaum. Plötzlich war eine schreckliche Leere in ihr Leben eingetreten, und sie hatte niemanden, an den sie sich wenden konnte. Ihre Verwandten mieden sie, weil sie Sippenhaft fürchteten und Angst vor dem nächtlichen Klopfen an der Tür hatten, das die Geheimpolizei ankündigte.
Am dritten Tag packte Anna ihre spärlichen Habseligkeiten in einen kleinen Koffer und zog aus der kleinen Wohnung in ein noch kleineres, verwahrlostes Zimmer östlich der Moskwa.
Die deutsche Armee stand kaum zehn Kilometer entfernt. Die Soldaten konnten die goldenen Kuppeln des Kreml durch ihre Feldstecher sehen. Da die Stadt unter ständigem Beschußlag, gab es wenig Nahrungsmittel und noch weniger Material zum Heizen. Alles, was brannte, war schon lange verfeuert worden. Die Leute verschlangen die kärglichen Rationen, die man ihnen zuteilte. Hunde und Katzen wurden für einen Monatslohn verhökert. In den Vorstädten stapelten sich die Leichen, und die Granaten und Stuka-Angriffe der Deutschen machten das Leben bei den eisigen Temperaturen weit unter null Grad zur Hölle.
Anna Grenko war zu jung zum Kämpfen und wurde zum Arbeitsdienst in eine Flugzeugfabrik im Ural abkommandiert. An ihrem siebzehnten Geburtstag wurde sie schließlich zum Militärdienst eingezogen. Nach einer dreiwöchigen Grundausbildung fuhr sie mit dem Schiff nach Süden an die Front und wurde zur zweiundsechzigsten Armee General Tschuikows versetzt. Nach Stalingrad.
Dort lernte sie, was Überleben heißt.
Sie kämpften von Straße zu Straße, von Fabrik zu Fabrik und hielten eine deutsche Belagerung aus, die sechs Monate dauerte. Nachts überschritten sie die feindlichen Linien in Schlamm und Schnee und griffen ihre Stellungen an. Die Kämpfe wurden heftig und erbittert geführt. Sie kam dem Feind oft so nah, daß sie die flüsternden Stimmen in den Schützengräben hören konnte. Das Bombardement war so entsetzlich, daß die Bäume in der Stadt sämtliche Blätter verloren und Hunde sich in der Wolga ertränkten, damit sie den schrecklichen Lärm der Schlacht nicht länger hören mußten, die Tag und Nacht währte.
Zweimal wurde Anna verwundet, und zweimal wurde sie dafür ausgezeichnet. Die Kämpfe, die in und um Stalingrad tobten, waren gnadenlos.
Beim fünften Übertritt über die feindlichen Linien wurde Anna von einer Abteilung der ukrainischen SS gefangengenommen. Nach dem Verhör wurde sie brutal vergewaltigt.
Man hielt sie für tot und ließ sie in einem Bombenkrater liegen. Zwischen ihren Beinen brannte ein heißer Schmerz, wo die fünf Männer in ihrer rücksichtslosen Gier ihren Körper brutal mißbraucht hatten.
Am zweiten Morgen erwachte sie, als Schnee auf ihr Gesicht fiel.
Als Anna aus dem Krater kletterte, sah sie die Ukrainer auf der anderen Seite. Es waren dieselben Männer, die sie verhaftet hatten. Sie standen um ein hell brennendes Kohlenfeuer, wärmten sich und lachten.
Anna Grenko kroch wieder in den Krater und wartete, bis es dunkel wurde. Sie war fast besinnungslos vor Wut und brannte nach Rache. Ein wildes Verlangen trieb sie an. Sie wollte diese Männer für das töten, was sie ihr angetan hatten. Dieser Impuls beherrschte sie und war stärker als ihr Selbsterhaltungstrieb. Als sie in dieser Nacht erneut aus dem Krater kletterte, stieß sie auf einen gefallenen Kameraden. Sie nahm dessen Tokarew-Maschinenpistole und die Stielhandgranaten an sich.
Dann stieg sie wieder in den Krater und pirschte sich von der anderen Seite an die Soldaten heran.
Einer der Männer drehte sich um und bemerkte sie, doch es war schon zu spät. Anna sah das Entsetzen auf dem Gesicht des Mannes, als sie die Granaten entsicherte und sie in die Gruppe schleuderte. Gleichzeitig feuerte sie mit der Maschinenpistole und beobachtete, wie die Körper der Soldaten im grellen Lichtblitz der explodierenden Granaten zuckten. Sie lauschte den Schreien, bis alles vorbei war.
Als am nächsten Tag die Linien wieder überrannt wurden, fanden ihre eigenen Truppen sie im Krater. Eine Blutlache hatte sich zwischen ihren Beinen gebildet. Sie verbrachte drei Wochen in einem Feldlazarett in Stalingrad, bevor sie vor ein Militärgericht gestellt wurde. Dort befragte man sie – aber nicht nach der Qual ihrer Vergewaltigung, sondern nach ihrer Gefangennahme durch die Ukrainer und wie es dazu hatte kommen können.
Für diese ›Dummheit‹ verurteilte man sie trotz ihrer Tapferkeit zu einer einmonatigen Gefängnisstrafe in einem
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