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Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Titel: Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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ihre Ehe und ihr Glück kein Traum waren.
    In diesem warmen Sommer wunschlosen Glücks – inzwischen waren fünf Jahre seit Kriegsende verstrichen –, hätte sie sich niemals vorstellen können, welches Leid sie noch erwartete.
    Es kündigte sich mit einem Klopfen an ihre Wohnungstür an, an einem Sonntag, um zwei Uhr früh. Drei Männer stürmten ins Zimmer und zerrten Iwan nach draußen in einen Wagen. Er war beschuldigt worden, ein Gedicht für ein Dissidentenmagazin geschrieben und es dort veröffentlicht zu haben. Für dieses Verbrechen wurde er in eine Strafkolonie nach Norilsk in Nordsibirien verbannt – für fünfundzwanzig Jahre.
    Anna Chorjowa sollte ihren Ehemann nie wiedersehen.
    Eine Woche später kamen die Männer von der Geheimpolizei zurück.
    Anna weinte und schrie und trat um sich. Als sie ihr die kleine Tochter wegnahmen, hätte sie die Männer, die sie in ein Fahrzeug zerrten, fast umgebracht. Doch alle Gegenwehr, alles Bitten nützte nichts. Man lieferte Anna ins Gefängnis von Lefortowo ein.
    Wegen ihrer Beziehung zu Iwan Chorjow wurde sie zu zwanzig Jahren Haft im Nikotschka-Straflager verurteilt. Ihre Tochter sollte in ein staatliches Waisenhaus eingeliefert werden, wo man sie zu einer guten Kommunistin erziehen wollte. Anna durfte ihre Tochter nie wiedersehen; das Recht auf Elternschaft wurde vom Staat widerrufen.
    Sie wurde direkt zu dem Bahnhof in Moskau gebracht, von dem aus die Züge Richtung Leningrad fuhren, und dort mit Dutzenden anderer Gefangener in einen Viehtransport gesteckt. Der Zug fuhr etwa fünfhundert Kilometer Richtung Norden. Als er schließlich auf einem Abstellgleis hielt, wurden Anna und die anderen Gefangenen in ein Lager weiter westlich gefahren, mitten im Niemandsland.
    In dieser Nacht tobte ein heftiger Schneesturm, und eisige Windstöße schnitten wie Rasierklingen in Annas Gesicht. Sie wurde gemeinsam mit fünf weiteren Gefangenen der Sonderkategorie in eine zugige, verwahrloste Holzzelle gesperrt. Zwei ihrer Leidensgenossen waren blind, die anderen waren Prostituierte mit Syphilis. Die übrigen Lagerinsassen warenAlkoholiker und politische Gefangene, die den Rest ihres Lebens in den Eiswüsten nahe am Polarkreis verbringen sollten. In den Hunderten von Straflagern, über die ganze Sowjetunion verteilt, arbeiteten Millionen Männer, Frauen und Kinder in Minen und Steinbrüchen und behelfsmäßigen Fabriken. Sie schufteten vom Morgengrauen bis zur Dämmerung für nichts, bis mangelnde Ernährung, die eisige Kälte, Seuchen oder Selbstmord ihre Leben beendeten. Man hob mit einem Bagger eine Grube aus der eisenhart gefrorenen Erde und verscharrte die Leichen in anonymen Gräbern. Weder ein Kreuz noch eine Inschrift bezeugten, daß es sie jemals gegeben hatte.
    Im zweiten Monat ihrer Inhaftierung merkte Anna Chorjowa, daß sie nicht mehr lange durchhalten würde.
    Sie bekam keine Post, nur offizielle Briefe von Ämtern und Behörden. Und es waren keine Besucher erlaubt. Sie arbeitete von morgens bis abends. In den ersten Wochen hätten Verzweiflung und Einsamkeit sie beinahe umgebracht. Ließen ihre Kräfte nach, wurde sie von jungen Lagerwächtern erbarmungslos verprügelt. Jeden Tag und jede Nacht drohten Schmerz und Leid sie zu überwältigen. Immer wieder mußte sie an Saschas Gesicht denken und fürchtete, den Verstand zu verlieren. Nach sechs Monaten bekam sie einen Brief vom Informationsdienst der Straflager in Moskau. Darin wurde sie informiert, daß ihr Ehemann Iwan Chorjow eines natürlichen Todes gestorben und in Norilsk begraben worden war. Seine persönlichen Habseligkeiten wurden vom Staat beschlagnahmt. Nähere Anfragen in dieser Sache wurden Anna untersagt.
    In dieser Nacht weinte Anna Chorjowa, bis sie glaubte, ihr müsse das Herz vor Leid zerspringen. Sie aß nicht einmal die kargen Rationen Schwarzbrot mit Kohlsuppe. Binnen einer Woche litt sie unter ernsten Folgen der Mangelernährung. Als sie schließlich in ihrer Arbeitseinheit zusammenbrach, wurde sie in die schäbige Baracke geschleppt, die als Lagerlazarett diente. Der ständig betrunkene, schlampige Arzt, der einmal in der Woche erschien, untersuchte sie ohne besonderes Interesse. Als Anna sich immer noch weigerte zu essen, wurde sie dem Lagerkommandanten vorgeführt.
    Dieser Kommandant erteilte ihr eine strenge Lektion über seine Verantwortung den Gefangenen gegenüber, doch am Tonfall des Mannes spürte Anna, daß es ihn nicht interessierte, ob sie lebte oder starb.
    Als das Telefon in

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