Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Kolben herunter.
»Für meinen Vater.«
Dann preßte er Stalin den Lauf des Revolvers an die Schläfe.
»Und das ist für meine Mutter … und für meine Schwester …«
Die Nagant dröhnte, und Stalins Kopf wurde zur Seite geschleudert.
Während der Oberst seine Waffe herausriß, beobachtete er fassungslos, wie Slanski ihn im Angesicht des sicheren Todes kalt anlächelte. Dann steckte er sich den kurzen Lauf der Nagant in den Mund und drückte ab. Die Waffe detonierte erneut.
Die Wischer des Emka fegten den Schnee von der Scheibe, doch es hörte einfach nicht zu schneien auf.
Lukin war noch hundert Meter von der Datscha entfernt, als er Sirenen hörte. Sein Herzschlag schien auszusetzen. Der schrille Lärm drang wie der Schrei von tausend gepeinigten, wilden Tieren durch den Wald.
Scheinwerfer flammten auf, erleuchteten den Wald und tasteten sich durch das Dunkel. Ihr Lichtstrahl wischte über die verschneiten Birken. Hunde bellten, und Stimmen brüllten Befehle. Der Wald war erfüllt von Licht und Lärm.
Durch die Windschutzscheibe konnte Lukin die grünlackierten Tore ausmachen, die den Weg zur Datscha versperrten.Die Lichtkegel der Suchscheinwerfer glitten über die Bäume, und die Sirenen heulten unaufhörlich.
Lukin fuhr langsamer. Rechts von ihm ging ein holpriger Weg ab. Er bog darauf ein und stellte den Motor ab. Er zitterte am ganzen Körper, und sein Puls raste.
Er war zu spät gekommen.
Der Kloß in seinem Hals drohte ihn zu ersticken. Er stolperte aus dem Fahrzeug und holte tief Luft. Dann sank er auf die Knie und übergab sich.
Lange kniete er in dem eisigen Wald und hörte weder die Sirenen noch den Lärm. Nur sein eigenes Schluchzen und sein Herzschlag dröhnten ihm in den Ohren, während ein Gefühl der Qual ihn durchströmte – so heftig, das er es beinahe körperlich spürte.
Die Zeit schien stillzustehen. Dann brach ein Damm in seinem Inneren. Er schrie, und der Schrei kam aus seinem tiefsten Herzen.
»MISCHA!«
Der Schrei schien in der Dunkelheit, die ihn umhüllte, ewig anzudauern.
DIE GEGENWART
61. KAPITEL
Es hatte wieder zu regnen angefangen.
Der Himmel über Moskau verdunkelte sich. Es herrschte ein merkwürdiges Zwielicht. Dann zuckte ein Blitz über den Himmel, und es donnerte. Die himmlischen Schleusen öffneten sich. Anna Chorjowa stand am Fenster und schaute durch die Regenwände auf die Mauern des Kreml in der Ferne. Als sie sich schließlich umdrehte, lächelte sie. Es war ein kurzes Lächeln, das einem traurigen Gesichtsausdruck wich.
»Jetzt haben Sie Ihre Geschichte, Mr. Massey. Es ist zwar nicht gerade ein Happy-End, aber das Leben überrascht uns selten mit einem glücklichen Ausgang.«
»Es ist eine bemerkenswerte Geschichte.«
Sie zündete sich eine Zigarette an. »Nicht nur das … Sie ist auch wahr. Sie sind einer der wenigen Menschen, die wissen, was in dieser Nacht in Kunzewo passiert ist. Stalin hat fast vier Tage gegen den Tod gekämpft, aber schließlich ist er doch gestorben. Die Droge hat die Gehirnblutungen hervorgerufen, und die Kugel hat ihm den Rest gegeben. Alle seine Ärzte konnten ihn nicht retten. Ironischerweise hatten sie auch viel zuviel Angst, einen Fehler zu machen … nach dem, was Stalin ihren Kollegen vom Kreml angetan hatte.«
»Also ist die offizielle Version von Stalins Tod eine Lüge.«
»Der Kreml hat behauptet, daß er eines natürlichen Todes gestorben ist, an den Folgen einer Gehirnblutung. Aber man kann in denselben Geschichtsbüchern nachlesen, daß an dem Abend, als Stalin tödlich erkrankte, die Leichen zweier Männer vom Gelände der Datscha abtransportiert wurden. Es ist zwar keine allgemein bekannte Tatsche, aber es ist das entscheidende winzige Körnchen Wahrheit, das verrät, daß an diesem Abend etwas Ungewöhnliches vorgefallen ist. Die Toten waren Alex Slanski und Ihr Vater. Selbstverständlich hat nie jemand etwas davon erwähnt. Einige Geheimnisse bleiben tatsächlich besser für immer … eben Geheimnisse.«
Ich antwortete nicht sofort. Dann fragte ich: »Warum haben Sie mir diese Geschichte erzählt? Weil Sie es mußten?«
Anna Chorjowa lächelte. »Zum Teil schon, glaube ich. Abervielleicht wollte ich sie einfach irgend jemandem erzählen, und ich bin froh, daß ich Sie endlich kennengelernt habe. Was vor all diesen Jahren passiert ist, habe ich mein Leben lang geheimgehalten. Aber vielleicht ist das Geheimnis zu groß, um es mit ins Grab zu nehmen. Und wenn ich ehrlich bin … Ich fühle mich
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