Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
schönsten russischen Zobel und andere Pelze zu verkaufen. Als die Wirtschaft in Amerika in den Jahren nach dem Krieg boomte, hatte Lebel sogar eine florierende Filiale auf New Yorks Fifth Avenue eröffnet.
Henri Lebel, so schien es, hatte die Vergangenheit überwunden und führte ein erfülltes Leben. Seine Geschäftspartner in Moskau wußten jedoch nichts von dem dunklen Geheimnis, das er vor ihnen verbarg.
An einige Meilensteine in seinem bewegten Leben erinnerte Henri Lebel sich sehr deutlich. Zum Beispiel an den Tag, da er und seine Frau Klara von der Gestapo verhaftet wurden. Oder an den Augenblick, als er Irina Dezowa kennengelernt hatte. Und an den Tag der Befreiung aus Auschwitz, als er wieder zu leben angefangen hatte.
Jenes erste Ereignis, den Tag der Verhaftung, zwei Jahre nach dem Einmarsch der Deutschen in Paris, würde er nie vergessen.
Es war der Geburtstag seiner Frau, und nachdem sie sich mehrere Monate in einem Versteck verborgen hatten, riskierte es Henri, sie auszuführen, damit sie diesen Tag gebührend feiern könnten. An jenem Sonntagmorgen saßen Klara und er indem Café und hatten gerade erst den Kaffee-Ersatz und den trockenen Kuchen serviert bekommen, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde und drei Männer in Zivil eintraten. Beim Anblick der schwarzen Ledermäntel, der Lederhandschuhe und der Schlapphüte lief es Lebel eiskalt über den Rücken. Wie die Dinge aussahen, stand er schon allein wegen seiner Arbeit in der Résistance auf der Schwarzen Liste.
Die drei Männer gingen zur Mitte des Cafés und stemmten die Hände in die Hüften. Die schneidende Stimme des Anführers war Lebel immer noch deutlich im Gedächtnis.
»Ausweiskontrolle! Halten Sie alle Ihre Papiere bereit!«
Und dann riß der Gestapo-Mann einen bösen Witz, der sofort die Runde machte, während er grinsend dastand. »Und für die Juden unter Ihnen: Fangt schon mal an, Eure Gebete runterzuleiern.«
Das Gelächter der Gestaposchergen sollte Henri Lebel ein Leben lang in den Ohren hallen. Er blickte seine Frau an, aus deren wunderschönem Gesicht alle Farbe gewichen war. Lebel konnte sich noch an sein Gefühl an diesem Frühlingsmorgen erinnern. Eiskalte Furcht. Der kalte Schweiß rann ihm aus allen Poren, und sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren. Er war ein Widerständler, schlimmer noch: Er war ein jüdischer Widerständler.
Die drei Männer gingen durchs Café und überprüften die Papiere. Der Chef der drei trat an ihren Tisch, lächelte Klara zu und blickte dann Lebel an.
»Die Papiere, bitte.«
Lebel reichte ihm sofort ihre Ausweise. Der Gestapomann war dünn, hatte ein schmales Gesicht und durchdringende blaue Augen. Dieses Gesicht hatte Lebel seitdem Tag und Nacht sehr lebhaft vor Augen. Der Mann blickte vom Ausweis zu Lebels Gesicht, als müsse er sich über irgend etwas klarwerden.
Dann kniff er die Augen zusammen. Lebel zitterten die Hände, und er vermutete, daß der Mann es bemerkte.
Der Gestapomann lächelte kalt. »Wo sind diese Papiere ausgestellt worden?« fragte er.
Lebel fiel das Schweigen im Café auf, als der Deutsche sprach. Und er sah, wie seine Frau ihn nervös anblickte.
»In Marseille, Monsieur«, antwortete Lebel respektvoll. Er versuchte, die Fassung zu wahren. Immerhin war der Ort im Paß abgestempelt worden. Lebel hatte seine alten Papiere weggeworfen und von der Résistance andere erhalten. Sein neuer Familienname lautete Claudel. Die Tarnung hatte sechs Monate gehalten. Aber jetzt spürte er, daß der Gestapomann Verdacht geschöpft hatte.
Er musterte die Ausweise weiter und schaute dann hoch. »Ihr Beruf, Herr Claudel?«
Lebel schluckte. Sein Beruf stand ebenfalls im Ausweis. »Ich bin Handelsvertreter.« Er hielt inne und beschloß, alles auf eine Karte zu setzen. »Stimmt etwas nicht mit unseren Ausweisen? Das kann eigentlich nicht sein.«
»Das entscheide ich«, fuhr der Gestapomann ihn an und blickte dann zu Lebels Frau. Auf ihrer Oberlippe hatten sich kleine Schweißperlen gebildet, und sie wrang mit zitternden Händen die Serviette in ihrem Schoß.
Der Nazischerge witterte ihre Furcht. Sein Blick glitt zu Lebel zurück. »Ihre Frau, Herr Claudel, scheint sich vor etwas zu fürchten. Wovor?«
Die Frage klang wie eine Anschuldigung. Lebel spürte, wie ihn der Mut verließ, doch er antwortete so ruhig wie möglich.
»Es geht ihr leider im Moment nicht gut.«
Der Mann musterte Klara. »Wirklich? Und was fehlt Ihnen, Frau Claudel?«
Klara war vor Angst wie
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