Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Landsleute so unverblümt sagen: Schluß mit dem Gequatsche, Jake. Kommen Sie zum Punkt.«
Massey verzog keine Miene, als er antwortete. »Ich brauche Sie, damit Sie in einem Ihrer privaten Frachtzüge einige Leute für mich aus Moskau herausbringen.«
Lebel klappte der Unterkiefer herunter. Geistesgegenwärtig packte er seine Zigarre mit Daumen und Zeigefinger, bevor sie herunterfallen konnte, und runzelte ungläubig die Stirn.
»Nur, damit ich das richtig verstehe, Jake: Sie verlangen von mir, Menschen aus Rußland herauszuschmuggeln?«
Massey nickte ungerührt. »Drei, um genau zu sein.«
Lebel lachte. Es war ein schnaubendes, verächtliches Geräusch. »Jake, haben Sie den Verstand verloren?«
»Natürlich bitte ich Sie nicht, das umsonst zu erledigen. Es ist schlicht und einfach eine geschäftliche Vereinbarung. Man wird Sie gut entschädigen.«
»Ich möchte Sie korrigieren, mon ami . Es wäre schlicht und einfach Selbstmord. Außerdem brauche ich kein Geld.«
Lebel warf einen Blick auf den Platz vor dem Hotel. Es hatte nun doch angefangen zu regnen. Dicke Tropfen prasselten auf das Pflaster, und selbst die Tauben suchten Schutz unter den Dachgiebeln. Lebels Blick glitt zu Massey zurück.
»Jake, bitte verstehen Sie mich richtig: Ich bin Pelzhändler, kein Reiseveranstalter. Ich lebe gut von meinem Handel mitden Russen. Wissen sie, was passieren würde, wenn sie herausfänden, daß ich Menschen aus ihrem Land schmuggele? Ich würde für den Rest meines Lebens in irgendeinem gottverdammten Lager in Sibirien Schneebälle herstellen. Und auch nur, wenn ich Glück hätte. Sollte mein Glück mich verlassen, bekomme ich in den Gewölben am Dsershinski-Platz eine Kugel zwischen die Augen.«
»Hören Sie mir erst bis zu Ende zu, Henri.«
Lebel schüttelte den Kopf. »Jake, es ist sinnlos. Gott höchstpersönlich könnte mich nicht dazu bringen, ein solches Risiko einzugehen.«
»Ich sagte: Hören Sie mich bis zum Schluß an. Wie viele Zugladungen Felle führen Sie jährlich aus Rußland aus?«
Lebel zuckte mit den Schultern und seufzte. »Vier. In einem guten Jahr vielleicht sechs. Das hängt von der Nachfrage ab.«
»In versiegelten Waggons?«
»Ja, in versiegelten Waggons. Sechs Waggons pro Zug.«
»Und Sie begleiten Ihre Waren immer persönlich?«
Lebel nickte. »Natürlich. Bei einer so wertvollen Fracht kann ich kein Risiko eingehen. Trotz Stalin am Ruder lauern an der Grenze zu Finnland Banditen. Ich miete einen Privatzug von den Russen, der von Moskau nach Helsinki führt.«
»Kontrollieren die Russen Sie an der Grenze sowohl bei der Ein- als auch bei der Ausreise?«
Lebel lächelte. »Die Wachposten kontrollieren alle Wagen mit Spürhunden, Jake. Glauben Sie mir, ohne daß Moskau davon weiß, verläßt nichts dieses Land.«
»Sie meinen: fast nichts.«
Massey zog einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn Lebel.
»Wenn das Geld ist, Jake, vergessen Sie’s. Ich sagte es Ihnen schon …«
»Es ist kein Geld. Es ist ein vertraulicher Bericht. Bitte lesen Sie ihn, Henri.«
Lebel nahm den versiegelten Umschlag und riß ihn auf. Darin befand sich ein einzelnes Blatt Papier. Er las es und verlor sichtlich die Fassung. Als er Massey ansah, wirkte der Franzose wie der sprichwörtliche Fuchs, den man mit der Henne im Maul erwischt hatte.
»Was soll das bedeuten?« fragte Lebel mit unterdrückter Wut.
»Wie Sie sehen, handelt es sich um einen Bericht über die letzten drei Warensendungen, die Sie aus Rußland exportiert haben. Sie sind ein gerissener Bursche, Henri, stimmt’s? Sie haben hundertzwanzig Zobelfelle mehr ausgeführt, als Sie in Ihren Zollpapieren angegeben haben. Und alle waren in einem Geheimfach unter dem Zug versteckt.«
Massey streckte die Hand aus, und Lebel gab ihm den Bericht zurück. Dann sank er in seinem Sessel zusammen und starrte zu Massey hoch. »Wie haben Sie das herausgefunden?«
»Der finnische Zoll hat das Fach unter dem Boden des Waggons entdeckt. Als ihr Zug das vorletzte Mal aus Moskau in Helsinki ankam, haben sie einen diskreten Blick in den doppelten Boden geworfen. Natürlich haben Sie uns den Bericht weitergegeben, für den Fall, daß Moskau dahintersteckte. Aber ich weiß, daß das nicht der Fall ist. Es ist allein Ihre Operation, Henri, hab’ ich recht? Wer weiß noch davon? Jemand in Rußland?«
»Nur der Lokomotivführer«, gab Lebel zu. »Eigentlich war das seine Idee. Er hat gesehen, wie gewisse Moskauer Kriminelle während
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