Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Irina.
»Ist sie Jüdin?« wollte Massey wissen.
Lebel nickte. »Ein Grund mehr, weshalb ich sie aus Moskau heraushaben möchte. Und ich kann nicht leugnen, daß einige meiner Kontaktpersonen mich in letzter Zeit sehr kühl behandeln. Ich dachte, wir hätten das mit Hitler überstanden, aber das scheint nicht so zu sein. Ich habe schon oft daran gedacht, Irina herauszuschmuggeln, aber die Risikenwaren zu groß. Wenn die finnischen Behörden sie in dem Zug fänden, würden sie Irina vielleicht nach Rußland zurückschicken, und ich müßte ins Gefängnis. Aber Sie könnten doch dafür sorgen, daß das nicht passiert, Jake, oder? Und Sie könnten ihr auch einen legalen Ausweis und die Staatsbürgerschaft beschaffen?«
»Sie sind ein Satan, Henri. Aber sagen Sie … Diese Datscha vor Moskau, die Irina besitzt… Ist die sicher?«
»Natürlich, deshalb benutzen wir sie ja. Warum?«
»Das erkläre ich Ihnen später. Lieben Sie diese Frau?«
»Was glauben Sie wohl?«
»Ich glaube, wir könnten ins Geschäft kommen.«
18. KAPITEL
New Hampshire
3. Februar
Während in Paris der Nachmittag verstrich, dämmerte es in New Hampshire. Und es schneite.
Anna erwachte um kurz vor sieben. In dem kleinen Schlafzimmer war es kalt. Sie zog die Vorhänge zurück und sah, daß es noch dunkel war und die Schneeflocken vom Himmel rieselten. Der Blick auf den See war wirklich etwas Besonderes, aber sie wurde durch ein Klopfen an der Tür abgelenkt. Anna warf sich ihren Morgenmantel über, ging zur Tür und öffnete.
Wasili stand vor ihr, eine Sturmlampe in einer Hand. In der anderen balancierte er ein Tablett mit einem Becher dampfenden Tees und einer Emailleschüssel voller heißem Wasser.
»Sie sind also schon wach, Kleine?«
Er trat ins Zimmer und stellte das Tablett neben Annas Bett.
»Kümmern Sie sich immer so gut um Ihre Gäste, Wasili?«
Der alte Mann lächelte. »Nur, wenn sie so hübsch sind wieSie. Das heiße Wasser muß für das Waschen genügen. Wir haben leider kein fließendes heißes Wasser hier. Es ist alles ein bißchen primitiv. Haben Sie gut geschlafen?«
»So gut wie seit Wochen nicht mehr. Es muß an der Luft liegen.« Sie warf einen kurzen Blick auf den See. »Die Aussicht ist wundervoll. Wie lange leben Sie schon hier, Wasili?«
»Seit über dreißig Jahren. Ich habe das Land für einen Spottpreis von einem Trapper gekauft, der hier gewohnt hat. Es war ein melancholischer Russe, der von seiner alten Heimat träumte und lieber Wodka trank als zur Jagd ging.«
»Warum haben Sie Rußland verlassen?«
»Die Kommunisten haben das Dorf meiner Eltern im ersten Winter während des Bürgerkriegs heimgesucht. Jemand hatte einen zaristischen Offizier versteckt. Die Soldaten haben daraufhin das ganze Dorf niedergebrannt. Dann haben sie den Großteil der Männer in die Kirche getrieben und das Gebäude angesteckt. Ich kann mich noch an die Schreie erinnern. Die Frauen und Kinder, die ihnen in die Hände fielen, wurden ins Lager gesteckt.«
»Wie haben Sie überlebt?«
»Einige von uns sind geflohen. Die Kommunisten haben uns zwar verfolgt, aber wir haben es über die Grenze nach Finnland geschafft. Es war eine lange, furchtbare Reise in diesem bitterkalten Winter. Von Finnland aus sind einige von uns mit einem amerikanischen Frachter nach Boston geschippert. Es war die beste Möglichkeit, einen neuen Anfang zu wagen, weil wir nie wieder nach Rußland zurückkehren konnten.«
»Was ist mit Ihren Eltern geschehen?«
»Sie sind entkommen, aber ich habe sie nie wiedergesehen. Das alles ist schon sehr lange her.«
»Es muß schrecklich für Sie gewesen sein.«
Einen Augenblick zeigte sich ein schmerzerfüllter Ausdruck auf dem Gesicht des alten Mannes. »So ist das Leben nun mal. Es lehrt einen, niemals etwas als selbstverständlich zu nehmen. So, jetzt waschen Sie sich, ziehen Sie sich an, und kommen Sie runter. Ich habe Frühstück gemacht. Wenn Sie den Tag mit Alexei überstehen wollen, müssen Sie sich stärken.«
Slanski saß bereits am Tisch und trank Kaffee, als Anna herunterkam. Er hatte einen Militärparka an und trug klobige Stiefel. Ein kleiner Rucksack stand hinter ihm auf dem Boden. Als Anna sich setzte, blickte Slanski sie schweigend an.
Erneut fiel ihr das gerahmte Foto an der Wand über dem Kamin auf. Das Paar und die drei kleinen Kinder. Ein sehr hübsches, junges Mädchen und zwei Jungen, einer dunkelhaarig, der andere blond. Sie fand, daß der eine Slanski entfernt ähnelte, schaute jedoch
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