Operation Zombie
geschnitten. Dad sah Mom an, und beide wurden ganz still. Sie sahen mich nicht an, sie sagten kein Wort. In dieser Nacht wachte ich auf, als ich hörte, wie die Beifahrertür zugeschlagen wurde. Das war nichts Ungewöhnliches für mich. Wir machten immer Toilettenpausen unterwegs. Sie weckten mich immer, falls ich auch musste, aber diesmal begriff ich erst, was passiert war, als sich der Minivan schon wieder in Bewegung gesetzt hatte. Ich sah mich nach Patty um, aber die war nicht mehr da. Ich fragte meine Eltern, was passiert wäre, und die sagten mir, sie hätte darum gebeten, dass sie sie aussteigen ließen. Ich blickte nach hinten und bildete mir ein, dass ich sie gerade noch erkennen konnte, ein kleines Pünktchen, das immer kleiner wurde. Ich fand, es sah aus, als liefe sie hinter uns her, aber ich war so müde und verwirrt, dass ich nicht sicher sein konnte. Vermutlich wollte ich es einfach gar nicht wissen. Auf dieser Fahrt nach Norden habe ich eine Menge verdrängt.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel die anderen »Anhalter«, die nicht rannten. Viele waren es nicht, denken Sie daran, dass wir zur ersten Welle gehörten. Wir trafen höchstens ein Dutzend, die mitten auf der Straße dahinschlurften und die Arme hoben, wenn wir vorüber fuhren. Dad fuhr um sie herum, und Mom sagte mir, dass ich mich ducken sollte. Ich sah sie nie besonders genau. Ich drückte das Gesicht gegen den Sitz und machte die Augen zu. Ich wollte sie nicht sehen. Ich dachte immer nur an Elchsteaks und wilde Beeren. Es schien, als würden wir ins Gelobte Land fahren.
Ich wusste, wenn wir weit genug im Norden waren, würde alles gut werden. Eine Zeitlang schien es auch so. Wir fanden einen großartigen Campingplatz an einem See, nicht zu viele Leute, aber gerade genug, dass wir uns »sicher« fühlten, wissen Sie, sollte einer der Toten aufkreuzen. Alle waren echt freundlich; es herrschte eine entspannte, freundliche Atmosphäre. Anfangs kam es mir wie eine Party vor. Jeden Abend wurde gemeinsam gekocht, die Leute warfen alles zusammen, was sie erlegt oder geangelt hatten, meistens geangelt. Ein paar Männer warfen Dynamit ins Wasser, es gab einen großen Knall, und dann trieben die Fische an der Oberfläche. Ich werde diese Geräusche nie vergessen, die Explosionen oder die Motorsägen, mit denen die Leute Bäume fällten, oder die Musik der Autoradios oder Instrumente, die manche Familien mitgebracht hatten. Abends saßen wir alle ums Lagerfeuer, riesige Scheiterhaufen aus auf geschichteten Stämmen, und sangen. Da hatten wir noch Bäume, bevor die zweite und die dritte Welle kamen und die Leute Laub und Wurzelstümpfe verbrannten und zuletzt alles, was sie in die Finger bekommen konnten. Der Gestank von Plastik und Gummi wurde echt schlimm; man hatte ihn im Mund, in den Haaren. Inzwischen gab es keine Fische mehr und kaum etwas, was die Menschen jagen konnten. Aber keiner schien sich Sorgen zu machen. Alle verließen sich darauf, dass die Toten im Winter einfrieren würden.
Aber wie wollten Sie denn den Winter überleben, wenn die Toten eingefroren waren?
Gute Frage. Ich glaube nicht, dass viele Leute so weit vorausdachten. Vielleicht glaubten sie, dass die »Behörden« kommen und sie retten würden oder dass sie einfach zusammenpacken und nach Hause gehen konnten. Ich bin sicher, eine Menge Leute dachten an nichts anderes als den Tag, der vor ihnen lag, waren froh, dass sie endlich in Sicherheit waren, und verließen sich darauf, dass sich alles zum Guten wenden würde. »Wir sind alle im Handumdrehen wieder zu Hause«, sagten sie. »Bis Weihnachten ist alles überstanden.« [Sie lenkt meine Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegenstand im Eis, einen Schlafsack mit Sponge-Bob-Square- Pants. Er ist klein und weist braune Flecken auf.] Was meinen Sie, wofür der gedacht war, eine Übernachtung bei Freunden in einem beheizten Kinderzimmer? Okay, vielleicht konnten sie keinen geeigneten Schlafsack bekommen - Campinggeschäfte waren immer als Erste ausverkauft oder geplündert -, aber man kann nicht fassen, wie ahnungslos einige dieser Leute waren. Viele kamen aus sonnigen Staaten, bis runter ins südliche Mexiko. Man sah Leute mit den Stiefeln in die Schlafsäcke schlüpfen, ohne zu wissen, dass so die Blutzirkulation verhindert wurde. Man sah sie trinken, um sich zu wärmen, weil sie nicht wussten, dass sie damit ihre Körpertemperatur sogar senkten, weil mehr Wärme abgegeben wurde. Man sah sie dicke Mäntel tragen, aber mit nichts als
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