Operation Zombie
Einmal, um Thanksgiving ... Ich kam nicht aus dem Schlafsack heraus. Mein Bauch war geschwollen und ich hatte diese Schwären um Mund und Nase. Aus dem Wohnmobil der Nachbarn drang ein Geruch. Sie machten etwas zu essen, offenbar Fleisch, es roch richtig gut. Mom und Dad waren draußen und stritten. Mom sagte, »es« wäre die einzige Möglichkeit. Ich wusste nicht, was »es« war. Sie sagte, »es« wäre gar nicht »so schlimm«, weil die Nachbarn, nicht wir »es getan« hatten. Dad sagte, auf dieses Niveau würde er sich nicht hinunterbegeben und Mom sollte sich schämen. Da legte Mom richtig los und kreischte und sagte, es wäre alles seine Schuld, dass wir überhaupt hier wären, dass ich sterben müsste. Mom sagte ihm, dass ein richtiger Mann wüsste, was zu tun wäre. Sie nannte ihn einen Jammerlappen und sagte, er würde wollen, dass wir sterben, damit er endlich wie eine »Schwuchtel« leben konnte, was er sein ganzes Leben lang gewesen wäre. Dad sagte ihr, dass sie endlich ihr verdammtes Schandmaul halten sollte. Dad fluchte nie. Ich hörte etwas, ein Klatschen draußen. Mom kam herein und hielt sich einen Klumpen Schnee auf das rechte Auge. Dad folgte ihr. Er sagte nichts. Er hatte einen Gesichtsausdruck, wie ich ihn noch nie vorher gesehen hatte, als wäre er ein anderer Mensch. Er schnappte sich mein Survival-Radio, das seit langer Zeit ständig irgendwelche Leute kaufen wollten ... oder stehlen, und ging zu dem Wohnmobil hinüber. Zehn Minuten später kam er ohne das Radio zurück, aber dafür mit einer Schüssel dampfenden, warmen Eintopfs. Der war so lecker! Mom sagte mir, dass ich nicht zu schnell essen sollte. Sie fütterte mich mit kleinen Löffeln voll. Sie wirkte erleichtert. Sie weinte ein bisschen. Dad hatte immer noch diesen Gesichtsausdruck. Den Ausdruck, den ich selbst wenige Monate später hatte, als Mom und Dad beide krank wurden und ich sie füttern musste.
[Ich lasse mich auf die Knie niedersinken und untersuche den Knochenhaufen. Alle wurden gebrochen, das Mark ausgesaugt.]
Anfang Dezember kam der Winter so richtig in Fahrt. Der Schnee reichte uns buchstäblich bis über die Köpfe, ganze Berge, dicht und grau verschmutzt. Es wurde still im Lager. Keine Schlägereien, keine Schießereien mehr. An Weihnachten hatten wir genügend zu essen.
[Sie hält etwas in die Höhe, das wie ein kleiner Oberschenkelknochen aussieht. Er wurde fein säuberlich mit einem Messer abgeschabt.]
Sie sagen, dass in diesem Winter elf Millionen Menschen gestorben sind, und das allein in Nordamerika. Die anderen Länder nicht mitgerechnet: Griechenland, Island, Skandinavien. An Sibirien will ich gar nicht denken, die vielen Flüchtlinge aus China, die aus Japan, die ihr ganzes Leben in Großstädten verbracht hatten, und die armen Leute aus Indien. Das war der erste Graue Winter, als die Luftverschmutzung das Wetter veränderte. Es heißt, dass diese Verschmutzung bis zu einem gewissen Maß, wie viel, weiß ich nicht, auf die Asche sterblicher Überreste von Menschen zurückzuführen war.
[Sie steckt eine Markierfahne an den Rand der Grube.]
Es dauerte ziemlich lange, aber schließlich kam die Sonne wieder hervor, das Wetter wurde wärmer, der Schnee schmolz. Mitte Juli war der Frühling endlich da, und mit ihm kamen die lebenden Toten.
[Eines der anderen Mitglieder des Teams ruft uns zu sich. Ein Zombie liegt halb vergraben da und ist bis zur Taille im Eis festgefroren. Kopf, Arme und Oberkörper sind dagegen überaus lebendig; er schlägt um sich und stöhnt und versucht verzweifelt, zu uns zu gelangen.]
Warum kommen sie zurück, wenn sie tiefgefroren waren? Alle menschlichen Zellen enthalten Wasser, richtig? Und wenn dieses Wasser gefriert, dehnt es sich aus und zerstört die Kapillargefäße und Zellmembranen. Darum kann man Menschen nicht einfach einfrieren, warum also funktioniert es bei den lebenden Toten?
[Der Zombie versucht einen gewaltigen Sprung in unsere Richtung; sein gefrorener Unterleib bricht. Jesika hebt die Waffe, eine lange Brechstange aus Eisen, und schlägt der Kreatur mit einer beiläufigen Geste den Schädel ein.]
Udaipur Lake Palace, Picholasee, Radschastan, Indien
[Dieses idyllische Gebäude, das aus einem Märchen zu stammen scheint und dessen Fundament die gesamte Insel Jag Niwas bedeckt, war erst die Residenz eines Maharadschas, dann ein Luxushotel, dann Zuflucht für mehrere hundert Flüchtlinge, bis sie alle bei einem Ausbruch der Cholera ums Leben kamen.
Weitere Kostenlose Bücher