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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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einen Gendarm aus Vorarlberg traf, fanden sie innerhalb kürzester Zeit ein gemeinsames Gesprächsthema. Sie erzählten einander die neuesten Witze über den Minister und seinen Kabinettchef. Woran krankt die Innenpolitik? Am Ohrensausen des Ministers.
    Der Minister sprach nämlich ganz langsam und sagte genau das, was ihm der Kabinettchef, der immer daneben saß oder stand, einflüsterte. Wenn sich Journalisten aber gleich an den Kabinettchef wandten, sagte der, er wolle sich zu politischen Fragen nicht äußern, denn darüber habe der Minister zu entscheiden. Es gab noch einen ähnlichen Witz. Wie behandelt man den Kabinettchef richtig? Mit Tropfen. Er ist nichts als das Ohrensausen des Ministers.
    Jeder wußte, daß der Kabinettchef Minister werden wollte. Und man wartete nur darauf, bis er den Minister irgendwann in die Sackgasse laufen ließ. Man hat sich bei ihm nicht recht ausgekannt. Einerseits hat er, wenn es darauf ankam, immer die Fremdenpolizei verteidigt und ihr den Rücken gestärkt, andererseits hat er dann bei einer Fernsehdiskussion vom Ausländerwahlrecht gefaselt. Na, was jetzt? Will er sie abschieben, oder will er ihnen das Land übergeben? In der Kollegenschaft gab es kein Vertrauen mehr zur Führung. Wir fühlten uns als der letzte Dreck.
    Angenommen, ich hätte mich beim Minister über unseren Postenkommandanten beschweren wollen – bei wem sonst hätte ich mich über ihn beschweren sollen, schließlich war er vom Minister persönlich ernannt worden –, dann hätte eine solche Beschwerde den Dienstweg zu gehen gehabt. Ich habe es natürlich nie getan, aber den Ablauf stelle ich mir so vor: Zunächst müßte ich die Beschwerde unserem Postenkommandanten geben, der würde, auch wenn sie milde abgefaßt ist, als erstes den Dienstplan ändern und mir so viele Journaldienste wie nur möglich aufbrummen, dann würde er viele Telefonate führen und die Beschwerde mit einer langen Stellungnahme über meine laxe Dienstauffassung an seine Freunde, die Kontroll- und Generalinspektoren, weiterreichen, die nun ihrerseits eigene Briefchen verfassen und die Chose bei einem Glas Wein mit einem Herrn vom Landeskommando besprechen würden. Auch diesem bliebe ein Gutachten nicht erspart, bevor er sich an die zuständige Stelle der Bundespolizeidirektion und an den ihr zugeordneten Personalvertreter wenden würde. Letzter hat einst der Ernennung des Posteilkommandanten zugestimmt, wenn sie nicht überhaupt auf seinen Vorschlag zurückging. Schließlich ist der Postenkommandant selbst ehemaliger Personalvertreter. Der Personalvertreter würde die Beschwerde so lesen, als ob ich mich beim Minister über die Kompetenz des Personalvertreters beschwerte. Daher würde er ein Gutachten verfassen, dreimal so ausführlich wie alle bisherigen Gutachten zusammen, und würde meinen Namen auf jener Liste vermerken, die immer dann konsultiert wird, wenn zu prüfen ist, ob es für anstehende Beförderungen und Belobigungen gewisse Rückstellungsgründe gibt. Schließlich würde ein dickes Kuvert die Einlaufstelle des Ministeriums erreichen und dort der Abteilung für Personalangelegenheiten zugewiesen werden. Die Beschwerde würde die oberen Sprossen, Kommissär, Oberkommissär, Rat, Oberrat, Ministerialrat, Sektionschef und Kabinettchef, erklimmen und um fünf weitere Stellungnahmen anschwellen. Bis sie den Schreibtisch des Ministers erreichte, wäre sie ein umfangreicher Akt, bestehend aus meinem freundlichen Briefchen an den Herrn Minister und zehn vernichtenden Gutachten über mich.
    Der Minister würde fragen: »Was ist denn das schon wieder?«
    Und der Kabinettchef würde antworten: »Eine Disziplinarsache. Da paßt einem Revierinspektor der Postenkommandant nicht. Sicher hat sich das mittlerweile von selbst erledigt.«
    »Und wo ist unsere Antwort?« würde der Minister fragen.
    »Ganz vorne, Herr Minister. Direkt unter dem Brief. Wenn ich sie zusammenfassen darf: Den Fall umfassend geprüft, derzeit keinen Handlungsbedarf feststellen können. Hier wäre zu paraphieren. Der nächste Fall ist problematischer. Da beschwert sich ein Postenkommandant der anderen Partei über einen Revierinspektor unserer Partei... «
    Genau so wäre das damals gelaufen. Das ist der Dienstweg. Er hat seine festen Regeln. Wenn man die kennt, ist man vor Überraschungen gefeit. Man hat einen Preis zu zahlen, aber man kann sicher sein, daß einem selbst nichts passiert. Wenn sich zum Beispiel jemand von außen beschwert, sagen wir, daß er

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