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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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sich ihre Story vom armen gestrandeten Jugendlichen holten, und so weiter. Alle hatten sie im Grunde nichts anderes zu tun, als die Arbeit der Polizei zu behindern, die Falle unabschließbar zu machen. Dort sollte alles so menschlich zugehen, bis es keiner mehr aushielt. Hätten wir die Kojoten dort abzuliefern versucht, hätten wir das Schirennen versäumt und außerdem noch ein paar Fälle dazugekriegt.
    Als wir zur Oper hinaufgingen, wo unser Streifenwagen stand, ließen sich unsere drei Kojoten wie lahme Gäule an den Handschellen ziehen. Mein einführender Kollege flüsterte mir zu: »Da vorne stehen schon wieder die Fernsehfritzen.«
    Vor der Oper wimmelte es geradezu von ETV-Leuten. Die meisten von ihnen trugen gelbe Jacken mit dem Firmenlogo, einer Nachbildung Europas in Form einer Satellitenschüssel. Sie waren so mit dem Aufbau ihrer Anlagen beschäftigt, daß sie uns keine Beachtung schenkten. Wir versuchten, den Chaoten Beine zu machen, das nützte aber nicht viel. Schnell ging es erst, als wir sie im Auto hatten.
    Unser Wachzimmer war damals eine Baustelle. Wir hatten endlich Computer bekommen. Sie standen mehrere Monate eingepackt im Vorzimmer. Zwischen den vielen Schachteln konnte man kaum durchgehen. So trugen wir sie in den Aufenthaltsraum und schichteten sie in der Mitte zu einem großen Würfel, der bald mit alten Zeitungen, Mänteln, Regenschirmen, Taschen und allem, was man irgendwo ablegen mußte, zugedeckt war. An den Seiten dieses Würfels klebten unsere Lottoscheine. Wir füllten jede Woche einen gemeinsamen Lottoschein aus. Einmal haben wir sogar gewonnen, aber nur einen Dreier. Der Gewinn kam in die Getränkekasse.
    Damals mußten wir am Vormittag abwechselnd an Computerkursen teilnehmen. Ich hatte ungefähr die Hälfte der vorgeschriebenen Kurse absolviert, da wurde das System umgestellt, und ich mußte wieder von vorne beginnen. Aber unsere Geräte, so versicherte man uns, würden auch mit dem neuen System funktionieren. Als sie endlich installiert waren, brach das Stromnetz zusammen. In unserem Wachzimmer gab es noch uralte Leitungen, die ohne Rohre direkt in den Verputz eingemauert waren. Nach Telefonaten, die sich über mehrere Tage hinzogen, war klar, daß wir neue Stromleitungen bekommen würden. Zuerst kam eine Firma und verlegte Notstromleitungen. Das waren schwarze Kabel, die an der Wand und an der Decke mit Schellen notdürftig festgeklemmt wurden. Dann passierte ein halbes Jahr gar nichts. Wir hatten unsere Computerkurse längst absolviert und vieles schon wieder vergessen, als eines Morgens doch die Handwerker kamen und anfingen, alles aufzustemmen. Wir sollten daneben arbeiten, was unmöglich war. Alle Schreibtische und Schränke waren von der Wand weggerückt, man fand kaum mehr Platz, sich umzudrehen. Bald war alles mit einer dicken Staubschicht bedeckt, die Tische, der Kühlschrank, die Kaffeetassen, der Fernschreiber, selbst das Kanzleipapier im verschlossenen Aktenschrank. Am Opernballtag war unser Posten eine Baustelle. Die Schutthaufen waren fortgeschafft und die Rohrleitungen mit Gipsmanschetten in den aufgestemmten Mauern verankert. Die Elektriker hatten ihre Arbeit getan. Jetzt warteten wir auf die Maurer. So ein Handwerkerwechsel kann Monate dauern.
    Die Möbel standen immer noch mitten im Raum. Im Vorzimmer waren Zementsäcke aufgeschichtet. Wir ließen die Kojoten darauf Platz nehmen. Bevor wir sie einvernahmen, wollten wir das Schirennen anschauen. Auch mußten wir darauf vorbereitet sein, daß eine Kontrolle des Generalinspektorats vorbeikommen könnte. Das kam zwar selten vor, aber es passierte meist dann, wenn man es nicht erwartete. Gewöhnlich waren es zwei Offiziere, die ein wenig herumschnüffelten, unsere Journal- und Streifendienstlisten durchsahen, jeden, den sie antrafen, fragten, welche Art von Dienst er versehe, an unseren Stempelhaltern drehten und ein paar Zettel ausfüllten, die sie den Oberkontrolleuren ihrer Dienststelle vorlegen mußten, um schließlich zur Hauptbeschäftigung zu kommen, die darin bestand, uns den allzeit vorrätigen Burgschleinitzer Kabinett wegzutrinken.
    Burgschleinitz, so heißt der Ort, aus dem ich stamme. Kennen Sie Maissau? Nein? Richtung Horn. Da in der Nähe liegt das. Mein Bruder ist ein Weinbauer. Ihm ist es eine Ehre, unser Revier mit seinen Produkten zu versorgen. Seine Frau sieht das nicht so gerne, die würde gerne kassieren, ich spüre das, aber sie traut es sich nicht zu sagen.
    Die Kontrollinspektoren wollen

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