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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Wasser natürlich, halt den Schädel in die Klomuschel hineingedrückt und einmal hinuntergespült. Schon war sie wieder bei sich. Dann drehten wir sie um und setzten sie mit dem Hinterteil rein. Bei den Haaren wollten wir sie zuerst packen. Aber sie hatte ausgefranste kurze Haare, die wenig Halt boten. Wir hätten ihr die Haare ausgerissen, hat dieser Prader vor Gericht behauptet. Ausreißen wäre gar nicht möglich gewesen. Wo sollten wir sie sonst anfassen, die war doch vollkommen versaut.
    Die haben sich die Haare später selbst ausgerissen, aus Bösartigkeit. Wir haben nichts von ausgerissenen Haaren gesehen. Dasselbe mit den Burschen. Die hatten zwar längere Haare, aber wer will schon in solche Lausnester hineingreifen. Sie stellten sich einfach tot. Der Rothaarige gleich, und der Dunkle mit dem Bart beschimpfte uns zuerst. Er sagte: »Kiberer, Kiberer, seid's gute Haberer.«
    Kiberer ist ein Schimpfwort für Polizei. Haberer? Ihr Vater hat Ihnen aber nicht viel beigebracht. Ein Haberer ist ein Freunderl. Wer das Wort Kiberer verwendet, der will sich wirklich mit uns anlegen. Der sagte das in einem fort, wie ein damischer Blödian. Fortwährend hat er uns beschimpft. Wir nahmen ihn in den Schwitzkasten, anders war er nicht abzustellen. Zuerst schlug er wild um sich. Siehe da, plötzlich stellte auch er sich tot. Und das alles in diesem Scheiß- und Schweiß- und Uringestank. Das war im Pissoir, halb im Pissoir, halb im Klo. Wahrscheinlich wollten sie ihre Schweinereien zuerst im Klo treiben, hatten aber zuwenig Platz dafür. Es war schon gut zwei Uhr nachts. Dennoch hätte natürlich jemand dazukommen können. Man stelle sich das vor. Braucht ja nur ein Spätheimkehrer von der Oper zu sein. Diese Opernleute sind doch Mimosen. Wegen jedem Dreck rennen sie zur Zeitung. Und was wäre der Erfolg gewesen? Gleich hätte es wieder geheißen, unser Revier sorgt nicht für Ordnung.
    Das waren keine Ausländer. Man mußte sich ja schämen, das waren unsrige. Mit dem Knüppel kriegten wir schließlich auch die Burschen zur Reinigung. Aber das dauerte. Wollten nicht und nicht parieren. Dabei mag der eine oder andere blaue Fleck entstanden sein. Nein, sicher keine Brüche, höchstens blaue Flecken. Dieser Prader wollte alles uns in die Schuhe schieben. Hätten sie keinen Widerstand geleistet, wäre ihnen gar nichts passiert. Was ist herausgekommen? Mit unseren Steuermitteln wurden sie im Krankenhaus wieder aufgepäppelt. Wenn die Bürger wüßten, was mit ihrem Geld geschieht. Jetzt liegen sie schon wieder frischfröhlich herum und treiben ihre Sauereien. Aber nicht mehr lange. Endlich wird durchgegriffen. Wissen Sie, was die Frau vor Gericht behauptet hat? Von Vergewaltigung könne keine Rede sein, ganz im Gegenteil, sie habe sich das zum Geburtstag gewünscht. Und der Richter: »Schöne Geburtstagsgeschenke haben Sie!«
    Verstehen Sie, diese Aufsässigkeit war es, die uns zur Weißglut brachte.
    Um zurückzukommen auf den Tag des Opernballs – wir sahen die drei da vor uns stehen und dachten ans Schirennen. Um ein Uhr wurde nämlich im Fernsehen der Abfahrtslauf der Herren übertragen. Wir hatten das Rennen schon abgeschrieben, aber jetzt gab es die Chance, es doch noch zu sehen. Irgendwie kamen uns die drei wie Glücksengel vor. Als sie das Burger-Eck verließen, folgten wir ihnen. Mühsam torkelten sie vorwärts, unendlich langsam und steif, wie elektrisch betriebene Teddybären mit altersschwachen Batterien. Wir brauchten nur zu warten, bis ihnen der Strom ausging. Das Mädchen verstreute die Pommes am Boden. Um sie aufzuklauben, wischte sie mit den Händen über das dreckige Pflaster. Die anderen wollten ihr helfen. Nacheinander fielen sie hin, rappelten sich wieder auf, zuckelten schleppfüßig herum, die Körper wankten, kamen ins Trudeln, sackten zusammen und klatschten erneut auf den Boden. Wir ließen sie krabbeln. Die Frau war inzwischen liegengeblieben und schleckte die Pommes vom Boden auf. Verlust der Selbstkontrolle, öffentliches Ärgernis. Das reichte. Das Delikt war gesetzt.
    »Los, schnappen wir sie uns«, sagte mein Kollege. »Aufstehen, mitkommen, wird's bald.«
    Die Leute sagten: »Gebt ihnen noch ein paar Pulverl, und Ihr habt eine Ruh.«
    Einer, er trug eine Aktentasche in der Hand, sagte: »Sperrt Mauthausen wieder auf, und der Fall ist erledigt.«
    Das hörten wir nicht gerne. Es klang ein wenig nach nationalsozialistischer Wiederbetätigung. In diesen Dingen waren wir recht sensibel, oder sagen

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