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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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verbunden hatte, war in der Reportage meiner Kollegin nicht zu finden.
    Als ich das Angebot von ETV überdachte, beriet ich mich nicht mit meinen Eltern. Ich konnte mir die Folge gut ausmalen. Mein Vater würde mich zu einer Aussprache in die Bibliothek bitten. Die Bibliothek war der Arbeitsraum meines Vaters. Dort würde er mir großzügigerweise das Rauchen gestatten und beteuern, daß es letztlich meine eigene Entscheidung sei, in die er sich nicht einmischen wolle. Er würde die finanziellen Vorteile und den Karrieresprung als ein gutes Argument sehen, um mir dann aufs neue von seinen Erfahrungen mit der österreichischen Mentalität zu erzählen, die er mir lieber ersparen wolle. Meine Mutter, deren Liebe zur Heimat nach dem Fall des Eisernen Vorhangs neu erwacht war, würde mir vielleicht eine gemeinsame Reise nach Wien vorschlagen, um die Verhältnisse an Ort und Stelle einmal anzusehen, was ihr die Gelegenheit zu einem Abstecher nach Prag gäbe. In der Folge hätte ich jeden Tag mit einem Anruf meiner Eltern zu rechnen. So nebenbei würde mir mein Vater, selbstverständlich ohne meine Entscheidung beeinflussen zu wollen, weitere Erinnerungen an die Abgründe der österreichischen Seele auftischen.
    Bei einer Beratung mit meinen Eltern, so dachte ich damals, würde die Frage, die mich am meisten interessierte, immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden: Wird ein Wechsel von der ehrwürdigen Institution der BBC zu einem florierenden Privatunternehmen meinem guten Ruf als Kriegsberichterstatter nicht letztlich schaden? Es lag etwas von schmutzigem Geschäft und von persönlicher Korruptheit in der Vorstellung, ich würde eine Reportage über den Jugoslawienkrieg unterbrechen, mit einer Miene, die von stirngerunzelter Ernsthaftigkeit zu einem freundlichen Lächeln wechselt: »Wir werden Ihnen gleich danach die ersten Bilder des bombardierten Dorfes zeigen. Bleiben Sie dran«, um den Bildschirm Limonaden und Slipeinlagen zu überlassen.
    Nein, nicht Wien war mein Problem. Zwar war es mir bislang erfolgreich gelungen, Wien zu meiden, aber aufgrund der neueren Entwicklung in Zentraleuropa war Wien längst unumgehbar geworden. Aus aller Welt strömten die Journalisten nach Wien, um Rückzugsposten für ihre Berichterstattung über Jugoslawien zu installieren. Auch wenn ich die BBC dem neuen Angebot vorgezogen hätte, wäre ich über kurz oder lang mit zwanzig Aluminiumkoffern in Wien gelandet. Ohnedies wurde ich, seit sich Serben und Kroaten täglich in neue Scharmützel verstrickten, vom beunruhigenden Gedanken verfolgt, daß in Jugoslawien seit Jahren der erste Krieg stattfand, den ich drauf und dran war zu versäumen. Wollte man in den richtigen journalistischen Zusammenhängen stehen, hatte man einfach nach Wien zu gehen, ohne Rücksicht auf familiäre Sentimentalitäten dieser Stadt gegenüber.
    Ich sprach damals viel mit Kollegen über die Zukunft der Privatsender. Sie stand außer Frage. Die Privaten gaben längst den Ton an, und wir hatten uns, um einigermaßen die Einschaltquoten zu halten, nach ihren Spielregeln zu richten. In unserem Studio gab es zwei Bildschirme, deren Programm Tag und Nacht lief. Das eine war der amerikanische Nachrichtensender CNN (Cable News Network), das andere der europäische Sender ETV (European Television). Der Teletext der BBC diente vor allem zum Privatgebrauch. Im nachhinein will es mir scheinen, meine Entscheidung war längst gefallen und ich hatte bei den Kollegen nur Unterstützung und Verständnis dafür gesucht, daß ich sie verlassen werde.
    Wenn es jemanden gab, der mich im letzten Augenblick noch davon hätte abhalten können, nach Wien zu gehen, dann war das Fred. Die einzige Bedingung, die ich ETV stellte, war, daß Fred in meinem Team einen Job als Kameraassistent bekommt. Sie wurde umstandslos akzeptiert. Fred war zu dieser Zeit in einer Londoner Privatklinik für Drogenabhängige. Die Klinik war sehr teuer, die Rückfallsrate wurde mit 28 Prozent angegeben, was ein ausgesprochen guter Wert ist, aber im Falle von Fred ließ der Erfolg schon in der Klinik auf sich warten. Ich besuchte ihn jeden Abend. Manchmal, allerdings sehr selten, wirkte er ausgeglichen. Er erzählte von zwei Psychotherapeutinnen, die gemeinsam die täglichen Treffen seiner Gruppe leiteten. Die eine liebte, die andere haßte er. Er berichtete mir Details von Filmen, die er im Fernsehen gesehen hatte. Er war stolz darauf, daß es ihm bisher gelungen war, alle Arten von Rohkost zu verweigern,

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