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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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wir besser, wir wurden hysterisch gemacht. Bald kein Erlaß des Ministers ohne das Wort Wiederbetätigung. Die Politiker waren alle nervös wegen der Überfälle und Anschläge auf Ausländer. Dabei hatten wir diesbezüglich gute Arbeit geleistet. Der große Brand des Hauses am Gürtel drei Jahre zuvor, mit 24 Toten, war aufgeklärt. Unsere Kollegen haben ihn aufgeklärt, nach einem anonymen Hinweis aus der Bevölkerung. Die beiden Täter saßen ein, der Anstifter war offenbar ins Ausland entkommen. Der Innenminister und sein Einflüsterer hatten keine Ahnung, was draußen vorging. Wenn einer seine Meinung sagt, »Sperrt Mauthausen auf«, wäre das nach deren Ansicht ein Grund gewesen, einzuschreiten. Die Frau am Boden hatte das mitgekriegt. Sie richtete sich ein wenig auf und sagte: »Aber diesmal werdet ihr vergast, ihr Nazischweine!«
    Hätten wir das für einen Hinweis halten sollen? Nichts spricht dafür, daß sie von der Nachtaktion auch nur irgendeine Ahnung hatte. Wenn Sie mich fragen, hier gibt es keinen Zusammenhang. Am Abend wurde die Frau noch einmal verhaftet. Aber das war reiner Zufall. Die war einfach am Karlsplatz zu Hause, und natürlich machte sie mit, wenn es gegen die Polizei ging. Wir schrieben den Satz zwar später ins Protokoll, nahmen ihn aber als das, was er war: eine Androhung von Gewalt, oder, wenn man will, auch eine Morddrohung. Der Herr war außer sich. Er wollte auf das Mädchen mit der Aktentasche einschlagen. Wir mußten ihn zurückhalten, sonst hätte er ihr den Garaus gemacht.
    »Dieses Gesindel wird auch noch beschützt von euch«, schrie er. Das kam oft vor, daß uns vorgehalten wurde, wir würden den Abschaum unter unsere Fittiche nehmen. Solche Vorwürfe taten weh. Man mußte sich da schon zusammennehmen. Wir konnten den Herrn jedenfalls davon überzeugen, daß es auch für ihn besser wäre, fünf Schritte zurückzutreten. Wir zählten, eins, zwei, drei, vier, fünf – und er ging wirklich zurück.
    Noch gab es die Chance, die Schladminger Weltcupabfahrt der Herren anzuschauen. Um ein Protokoll oder eine Anzeige zu schreiben, mußten wir zurückfahren zur Sicherheitswache. Und dort, so viel war uns klar, saßen alle vor dem Bildschirm.
    »Wir werden dir Nazischweine zeigen«, sagten wir. Die Frau verdrehte die Augen. Ihre Freunde begannen, kraftlos herumzuschlagen, mußten aber einsehen, daß es aussichtslos war. Eins über die Rübe, und sie knickten ein.
    Meistens sammelten sich bei einem Einsatz innerhalb kürzester Zeit einige Kojoten an, die halblaut herummaulten, so daß wir es gerade noch hörten, aber nicht einschreiten konnten, weil es natürlich keiner wagte, uns direkt anzugehen. Immer waren Bekannte darunter. Es war sinnlos, sie zu kontrollieren, weil sie nur dann nahe kamen, wenn sie zufällig einmal nicht im Verkauf tätig waren. Hatten sie Stoff einstecken, wichen sie uns aus.
    Es gab da einen Straßenbahner, der in der Verkaufsstelle der Wiener Stadtwerke arbeitete. Er kannte sie alle. Wenn wir einen Einsatz hatten, kam er heraus. Er hatte keine Scheu vor diesen Typen. Ging einfach auf sie zu, pustete ihnen den Zigarettenrauch ins Gesicht.
    »Wißt ihr, wohin ihr gehört? In die Müllverbrennung! Jawohl, in die Müllverbrennung!« Er sagte ihnen das einfach ins Gesicht. Das Merkwürdige war, sie ließen es sich gefallen. Hätten wir das gesagt, hätte es einen Aufstand gegeben.
    Wir gingen an der Wachstube Karlsplatz vorbei. Aber es war völlig sinnlos, reinzuschauen. Die kamen mit ihrer eigenen Arbeit nicht nach. Diese damals noch ganz neue Wachstube war in einem regelrechten Belagerungszustand. Eigentlich hätte sie uns entlasten sollen. Ursprünglich hatte es sogar geheißen, wir würden, sobald es die neue Wachstube gebe, mit der Karlsplatz-Passage nichts mehr zu tun haben. Träumereien von Ahnungslosen. Als die Wachstube Karlsplatz eröffnet wurde, war sie schon viel zu klein. Die hatten einen Rückstau, der alle überforderte. Deshalb gab es die Weisung, der Wachstube Karlsplatz nach Möglichkeit zu Hilfe zu kommen. Das hieß vor allem, Delinquenten wegzuschaffen. Keiner wollte in dieser Dienststelle arbeiten, und keiner wollte mit deren Chaos auch nur irgend etwas zu tun haben. Man versuchte an der Eingangstür möglichst ungesehen vorbeizukommen. Gerade dort, wo ohnedies am meisten los war, gab es auch noch hunderttausend Unnötige, die sich einmischten: Sozialhelfer, Drogenberater, Armenanwälte, Beamte des Wiener Integrationsfonds, Journalisten, die

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