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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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das ist auch im Bordcomputer eingespeichert. Der Pilot kann in einer Notsituation nur das machen, was die Erzeugerfirma vorschreibt. Darauf ist er trainiert. Wie soll er es besser wissen?« Stop. Zuspielband zwei. Manager der Erzeugerfirma: »Ich kann nicht mit Ihnen über Behauptungen reden. Wir können unsere Flugzeuge nicht nach Behauptungen und Vermutungen bauen. Fakt ist, Flug und Schubumkehr schließen sich nach der technischen Bauweise unserer Flugzeuge komplett aus. Es ist technisch absolut unmöglich, daß bei...« Die ersten beiden Sätze und »Fakt ist« raus. Schnitt. »... unmöglich, daß bei eingefahrenen Rädern die Schubumkehr aktiviert werden kann.«
    »Sollte man das nicht doch noch einmal überprüfen?«
    »Das wurde hundertmal überprüft. Das schließt sich von der Bauweise her aus. Aber sicher werden sich unsere Techniker noch einmal damit befassen.« Stop.
    »Die Menschen«, so erklärt der Betreuer, »müssen sich ihr Leben hier selbst organisieren. Nichts ist vorgegeben. Von uns erhalten sie nur Ratschläge. Zum Beispiel über Nacht keine Lebensmittel im Zelt zu lassen. Es kann schon einmal vorkommen, daß sich ein Bär hierher verirrt.«
    »Gibt es keine Konflikte?« fragt eine rothaarige Reporterin. Sie trägt einen Safari-Anzug mit Short-Hose.
    »Am Anfang ständig, besonders in der zweiten Woche. Es geht vor allem um Fragen der Arbeitsteilung. Für andere Konflikte ist kaum Zeit. Die Menschen sind den ganzen Tag damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Der Trick unserer Entzugstherapie besteht darin, die Primärbedürfnisse des Körpers zu aktivieren.«
    »Und wenn einmal etwas Ernsthaftes passiert, sagen wir, ein Unfall?«
    »Dann haben wir eine Funkverbindung nach Albuquerque. Der Rettungshubschrauber kann in einer halben Stunde hier sein. Dies ist mein fünftes Camp mit Drogenabhängigen. Wir haben den Hubschrauber noch nie benötigt.«
    »Warum steht im Handbuch des Erzeugers, der Pilot solle das Schubumkehrsignal ignorieren?«
    »Weil es sich nur um ein Versagen im Warnsignalbereich handeln kann.«
    »Die Auswertung der Blackbox besagt Ihrer Ansicht nach nur, daß das Signal aufgeleuchtet hat, nicht aber, daß die Schubumkehr wirklich eingeschaltet war?«
    »So ist es.«
    »Aber aufgefundene Triebwerksteile zeigen eine aktivierte Schubumkehr.«
    »Das zeigen sie nicht. Sie müssen sich vorstellen, das Flugzeug ist im Sturzflug heruntergekommen. Der Aufprall war so mächtig, daß es die Umkehrklappen nach vorn gerissen hat.« Stop. Ende Zuspielband zwei.
    Das Überlebenslager, so wird gegen Ende der Sendung erklärt, sei von einer Stiftung in Utah finanziert. Es werde nur deshalb in New Mexico durchgeführt, weil man dort ideale Bedingungen vorgefunden habe. Am Schluß wird der Administrator der Stiftung interviewt. Er sagt, von allen Drogenabhängigen, die bislang am Überlebenslager teilgenommen haben, sei bislang nur einer rückfällig geworden. Im Abspann sieht man die Teilnehmer des Überlebenscamps mit ausgezehrten Vollbartgesichtern, aber lachend aus dem Hubschrauber steigen und ihre Angehörigen umarmen.
    »Werden Sie Entschädigungen an die Angehörigen zahlen?«
    »Ich werde sicher keine Entschädigungen an die... «
    Frage raus. Schnitt. »... tschädigungen an die Angehörigen zahlen. Aber ich werde sie in ihren Ansprüchen gegen die Erzeugerfirma mit allen Mitteln unterstützen. Uns trifft keine Schuld. Ich fühle mich jedoch den Angehörigen verantwortlich, die Vater, Bruder, Tochter, Mutter verloren haben. Sie müssen Entschädigungen kriegen. Und zwar von demjenigen, der die Schuld an dem Unglück trägt.« Vierzehn Sekunden Überzeit. Die letzten drei Sätze raus.
    Ich rief beim öffentlichen Fernsehen (PBS) in Salt Lake City an. Aber es war zu früh. Die zuständigen Redakteure lagen alle noch im Bett. Es schien mir nun auch besser zu sein, vorher mit Fred zu reden.
    An diesem Abend fand ich ihn in einem durchaus ansprechbaren Zustand vor. Das Zimmer roch noch immer nach verbranntem Plastik. Dem Hakenkreuz fehlte ein Haken, aber Fred behauptete, es beschütze ihn auch so. Den ganzen Tag habe es keine Bestrahlung gegeben. Er fühle sich erstmals richtig frisch.
    Ich erzählte ihm von dem Camp in New Mexico, verschwieg ihm aber, wie hart es sein würde. Er sagte: »Da bin ich doch hoffnungslos den Strahlen ausgeliefert.«
    »Du kannst Dir ein kleines Hakenkreuz umhängen.«
    Die Idee gefiel ihm. Er wollte aus der Klinik raus, egal wohin.
    Der Oberarzt war von

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