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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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der Idee weniger begeistert. Er hielt nichts von solchen Brachialmethoden. Man könne dabei einen Menschen zerstören. »In zwei Monaten«, sagte er, »ist Fred auch bei uns wiederhergestellt.«
    »Was heißt wiederhergestellt? Meinen Sie, ich kann damit leben, daß mein Sohn mit einem Hakenkreuz herumläuft?«
    Noch in der Nacht erreichte ich den Administrator der Stiftung in Provo. Er erklärte mir, sowohl das Frühjahrs- als auch das Herbstprogramm seien ausgebucht. Außerdem sei das Camp ausschließlich für Jugendliche aus Utah. Ich sagte, ich werde gerne dafür zahlen.
    »Darum geht es nicht. Das Programm ist für die Jugendlichen gratis. Es wird durch Spenden finanziert.«
    Ich überlegte kurz, wieviel ich in der Londoner Klinik für weitere zwei Monate bezahlen müßte. Dann bot ich der Stiftung eine Spende von 10 000 Dollar an. Weitere 10 000 Dollar würde ich an die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage überweisen.
    Seine Antwort: »Ich muß mit den Betreuern darüber sprechen, ob ein zusätzlicher Teilnehmer möglich ist. Rufen Sie mich morgen noch einmal ein. Ihr Sohn müßte schon in neun Tagen nach Moab kommen. Dort startet das Programm.«
    Wir kamen nach Moab. Das ist eine Kleinstadt am Colorado-River, südlich des Arches-Nationalparks. Am Flughafen wartete ein junger athletischer Mann mit einem Schild, auf dem »Fred« stand. Seine Begrüßungsfreude war etwas übertrieben, aber er wirkte sympathisch. Er hieß Jerg. Im Kleinbus einer Rafting-Firma fuhr er mit uns den Colorado-River entlang, stromaufwärts. Der hellbraune Fluß lag breit und träg zwischen hohen, roten Felswänden, die an manchen Stellen wie von Pech geschwärzt waren. Der Canyon wurde zeitweise so eng, daß die Straße neben dem Fluß kaum mehr Platz fand. Es gab keine Leitplanken. Fred saß vorne auf dem Beifahrersitz. Die Klimaanlage war nicht eingeschaltet. Trotz geöffneter Fenster wollte die Hitze aus dem Auto nicht weichen. Jerg versuchte mit Fred ersten Kontakt aufzunehmen. Er deutete auf das andere Flußufer.
    »Dort drüben ist der Arches-Nationalpark. Ich hoffe, Du hast nach dem Camp noch ein paar Tage Zeit, dann machen wir eine Rundfahrt. Wir können auch den Canyonlands-Nationalpark besuchen und den Dead Horse Point. Das ist alles hier in der Nähe. Du wirst staunen, was es hier gibt.« Fred sagte nichts. Jerg lachte ihn an.
    »Ich freue mich, daß einmal jemand von auswärts dabei ist. Das wird unser Campleben sicher bereichern. Du mußt uns von der Alten Welt erzählen. Ich war noch nie dort.«
    Bei einer Stelle, an der die Felswand ein wenig zurücktrat, hielt Jerg an.
    »Da vorne ist eine Quelle. Sie hat das beste Wasser auf Gottes Erden.«
    Er holte eine Plastikflasche unter dem Sitz hervor. Wir stiegen aus und folgten ihm. An der senkrecht aufragenden Wand lehnten zwei Fahrräder. Wir gingen um einen Felsvorsprung herum. Durch ein eingemauertes Eisenrohr floß ein dünner Strahl Wasser aus dem Stein. Daneben, im feuchten Sand, lagen die beiden Radfahrer und erholten sich. Jerg füllte seine Flasche. Wir hielten zuerst unsere Münder, dann die Köpfe unter das Rohr.
    Nach etwa zehn Meilen wurde der Canyon breiter. Das diesseitige Ufer des Colorado-River war dicht mit Gebüsch bewachsen. Wir kamen zu einem primitiven Campingplatz, der außer zwei Plumpstoiletten und aufgestellten Eisenröhren mit Grillgittern nichts zu bieten hatte. In der Nähe des Ufers stand inmitten von Bäumen ein großes Zelt, davor einige Autos. Auffällig war ein Pickup-Truck mit fünf Schlauchbooten auf der Ladefläche, die zu einem festgezurrten Turm gestapelt waren, der die Fahrerkabine bei weitem überragte. Am Boden huschten Eidechsen über den Sand.
    Das Zelt war leer. Aber dahinter, auf einem schattigen Grillplatz, saßen die Drogenabhängigen mit ihren Familien im Kreis. Zwei Betreuer, so jung und sportlich wie Jerg, standen in der Mitte und erläuterten das Programm. Sie sprachen nicht von Entzug, sondern von Rehabilitation. Wir waren die letzten Ankömmlinge und wurden als die große Ausnahme, als foreigners, vorgestellt. Meine Spende an die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wurde ausdrücklich erwähnt und mit Applaus und Rufen des Entzückens quittiert. »Nice to see you. Nice to have you here.«
    Fred und ich setzten uns auf den Boden, Jerg ging zu seinen Kollegen in die Mitte. Sie hießen Jim und Brigham.
    Heute sei der Tag des Feierns, sagte Jim. Es werde einen Rafting-Ausflug auf den Colorado-River

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