Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
Vom Netzwerk:
geben und anschließend ein großes Grillfest. Sich zum Rehabilitationscamp entschlossen zu haben sei ein guter Grund zu feiern, nicht nur für diejenigen, die ihr Schicksal nun in ihre eigene Hand nehmen wollten, sondern auch für ihre Familien.
    »Mit diesem Fest«, sagte Brigham und lachte dabei mit der Frische der von allen Sünden gereinigten Natur, »wollen wir einander die Kraft geben, den entscheidenden Schritt aus der Abhängigkeit vom Teufel zu machen.«
    Jerg schien mehr für die weltlicheren Dinge zuständig zu sein. Er sagte: »Heute ist alles erlaubt. Selbstverständlich nicht Drogen oder Alkohol. Aber wenn jemand rauchen will, heute wird ihn niemand scheel ansehen. Und morgen beginnen wir das gemeinsame Werk.«
    Es stellte sich heraus, daß alle Drogenabhängigen Raucher waren.
    Bald darauf wurden wir in die bereitstehenden Kleinbusse verladen. Der Truck mit den Schlauchbooten fuhr voran. Ich schaute zum Fluß hinüber, der hin und wieder zwischen den Büschen zu sehen war. Er sah aus wie ein zäher Sirup. Unser Rafting-Ausflug schien eine müde Angelegenheit zu werden. Aber nach etwa einer halben Stunde Fahrt wurde der Canyon karger, und ich sah die ersten Stromschnellen. Die Fahrt ging jetzt deutlich bergauf, bis wir zu einer Bootsrampe kamen. Dort wurden die Schlauchboote ins Wasser gelassen und Schwimmwesten ausgeteilt. Die Gruppen waren schon festgelegt. Jerg war ganz offensichtlich für Fred zuständig, aber auch noch für zwei andere Jugendliche, die mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in seinem Boot Platz nahmen. Drei weitere Geschwister mußten in eines der beiden zusätzlichen Boote steigen, die von freiwilligen Helfern des Rafting-Unternehmens gesteuert wurden.
    Es wurde nicht wirklich eine Wildwasserfahrt. Aber hin und wieder war der Fluß reißend, das Boot knickte nach allen Richtungen, Wasser spritzte herein, wir klammerten uns an die Halteseile, während Jerg lachend mit zwei langen Rudern in der Mitte saß und sein Können unter Beweis stellte. Zwischendurch nahm er einen Schluck aus der an der Quelle gefüllten Plastikflasche. Unsere Füße standen im Wasser, das, je nach der Lage des Bootes, am Boden nach vorn und zurück schwappte. Es gab zwei Container an Bord. Der eine enthielt Trinkwasser, der andere Salzgebäck und Orangen. Wir waren aufgefordert, uns zu bedienen. An einer ruhigeren Stelle fragte Fred, ob er ins Wasser springen könne. Jerg hatte nichts dagegen. Das Wasser sei an dieser Stelle mindestens fünfzehn Fuß tief. Fred sprang. In kürzester Zeit waren wir alle im Wasser. Mehr als vierzig Köpfe glitten, eingebettet in die roten Schwimmwesten, den Colorado-River hinab, während die Betreuer allein in ihren Booten saßen und uns immer, bevor Stromschnellen kamen, an Bord zogen. Es war mittlerweile später Nachmittag. Die Sonne brannte noch so heiß, daß unsere Kleidung schnell trocknete. Jerg machte uns auf die Felsformationen aufmerksam. Einmal war der Kopf eines Indianerhäuptlings zu sehen, dann ein Adler, später ein Drache. Die roten Felsen begannen in der tiefer sinkenden Sonne zu leuchten. »Hier ist es bis nach Mitternacht heiß«, sagte Jerg. »In der Nacht strahlen die Steinwände die tagsüber gespeicherte Wärme ab.«
    Als wir uns am Abend beim Grillfest um ein großes Lagerfeuer versammelten, verstanden es die drei Betreuer, eine vertraute Atmosphäre zu erzeugen, als wären wir alle eine Familie. In gewisser Weise waren wir es auch. Jeder sprach mit jedem, und es gab fast nur ein einziges Thema: die Erfahrungen mit der Sucht. Bei der Erwähnung des Teufels durch Brigham, gleich nach unserer Ankunft, hatte ich befürchtet, das Camp könnte mit religiöser Indoktrinierung verbunden sein. Diese Angst war inzwischen gewichen. Die drei Betreuer begnügten sich mit Gott und dem Teufel. Alles, was mit Natur zu tun hatte, war göttlich. Der Teufel mußte irgendwo in der Gesellschaft nisten, am ehesten in großen Städten.
    Fred und ich waren durch die Zeitverschiebung übermüdet. Wir waren die ersten, die im Zelt in die bereitliegenden Schlafsäcke krochen. Fred nahm die Pillen, die ihm von der Londoner Klinik mitgegeben wurden. Die Ärztin hatte gesagt, er müsse sie auch im Camp regelmäßig einnehmen.
    Am nächsten Morgen herrschte plötzlich ein anderer Ton. Zum Frühstück gab es nur Wasser, Orangen und ungesalzene Crackers. Fred spülte heimlich seine Pillen hinab. Etwa zweihundert Meter von unserem Platz entfernt landete ein Hubschrauber. Dann ging

Weitere Kostenlose Bücher