Opernball
wieder hin.
»Das werden sie büßen«, sagte der Polier. Er erzählte mir, daß die Türken davongelaufen seien, als sie mir zu Hilfe kamen. Später brachten mich der Polier und der Professor heim. Zwei Tage lang konnte ich wegen der entsetzlichen Kopfschmerzen nicht zur Arbeit gehen. Der Professor fütterte mich mit Haferschleimsuppe und achtete darauf, daß ich liegenblieb. Alle paar Stunden wechselte er den kalten Umschlag auf meinem geschwollenen Hodensack. Mein Körper war übersät mit blauen, violetten und gelben Flecken. Am Abend brachte Feilböck eine große Flasche Inalgon-Tropfen. So hatte ich wenigstens keine Schmerzen mehr. Er sagte: »Druckeberger und ich kundschaften gerade aus, wo die Schweine wohnen. Dann wird heimgezahlt.«
Es dauerte zwei Wochen, bis alle ihre Bewährungsproben bestanden hatten. Ich wollte mich ein zweites Mal bewähren. Aber Feilböck sagte: »Keiner hat so tapfer gekämpft wie Du. Nicht Du mußt Dich bewähren, sondern wir müssen uns jetzt in der Rache bewähren.«
Fritz Amon, Revierinspektor
Drittes Band
Um sechs Uhr hätten wir Dienstschluß gehabt. Der Nachmittag plätscherte friedlich vor sich hin. Kaffee trinken, Zeitung lesen, irgendwann das Protokoll schreiben, vielleicht noch ein kleiner Patrouillengang, dann würde Schluß sein. Der erste Opernball ohne mich. Ich wollte mir daheim die Fernsehübertragung anschauen. Diejenigen, die am Abend Dienst hatten, waren schon nach dem Schirennen heimgegangen. Sie durften sich, bevor sie zu den Sammelstellen aufbrechen würden, noch ein wenig ausruhen. Doch dann kam dieses Fernschreiben: Alle in Bereitschaft bleiben!
Mein einführender Kollege meinte: »Da haben wir es. Das hätte ich ihnen gleich sagen können, daß sie zuwenig Einsatzkräfte haben. Man braucht nur in die Zeitung zu schauen. Jetzt kannst du dir die Knochen numerieren.«
»Wir sind sicher keine sechstausend«, antwortete ich. »Aber woher willst Du wissen, daß wir zu wenige sind?« Er wartete nur darauf, es mir endlich erklären zu können.
»Wenn der Ausländerhilfsverein Rache für Abdul Haman schwört«, sagte er, »sind tausend Polizisten vielleicht genug. Aber wenn die Zeitungen nichts Besseres zu tun haben, als wochenlang über den Demonstrationsaufruf des Vereins zu berichten, anstatt ihn einfach zu ignorieren, werden alle Multikultiwichser und Abenteurer Wiens angelockt – und dreitausend Polizisten sind zuwenig. Mehr sind wir nicht. Jetzt kommt noch das Treffen von Bärenthal, der Mussolini und Brunot dazu. Das heißt, uns wird den ganzen Abend lang diese Antifaschismus-Scheiße auf den Schädel geschmissen. Um heute abend den Karlsplatz in den Griff zu bekommen, müßten wir wirklich sechstausend sein.«
Etwa zwei Monate vor dem Opernball hatte es eine Kundgebung islamischer Fundamentalisten gegeben. Der Anlaß hatte mit unserem Land nichts zu tun, es ging um die Nahost-Politik der USA. Es kam zu einer Auseinandersetzung, weil die Demonstranten nicht bis zur amerikanischen Botschaft vorgelassen wurden. Ich hatte damals keinen Dienst, weiß das alles nur vom Fernsehen, aus der Zeitung und von einem Kollegen aus Ottakring, mit dem ich auf der Polizeischule war. Wir treffen uns manchmal beim Schnitzelwirt. Sie hatten die Boltzmanngasse, in der die Botschaft liegt, zur Gänze abgesperrt. Sie wollten verhindern, daß die Leute in der Botschaft durch die Demonstration gestört werden. Aber diese muslimischen Brüder, oder wie die sich nennen – es stellte sich heraus, daß es vor allem Ägypter waren –, wurden aggressiv. Es gab eine Schlägerei und vielleicht zwanzig Verhaftungen. Insgesamt war das keine große Sache. Zur Demonstration waren nicht einmal dreihundert Teilnehmer gekommen. Die meisten Verhafteten wurden kurz danach in ihre Herkunftsländer abgeschoben, vor allem, wie gesagt, nach Ägypten. Einige mußten wieder freigelassen werden, weil sie schon unsere Staatsbürgerschaft hatten. Sie wurden nur angezeigt. Ein paar Demonstranten wurden verletzt, aber einer von ihnen starb. Das kann schon einmal passieren. Er war unglücklich an der Halsschlagader getroffen worden. Wer ihn getroffen hat, ob einer von uns oder einer von denen, ist bis heute nicht klar. Ein paar Tage nach diesem Unglücksfall war in der Früh die ganze Stadt mit Plakaten zugeklebt. Sie haben davon gehört? »Rache für Abdul Haman«, stand darauf. Es war ein Aufruf zur Opernballdemo. Als Verantwortlicher zeichnete der Ausländerhilfsverein. Der Verein ist
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