Opernball
Auch zwei übereinandergestapelte Bierkisten fanden unter dem Tisch noch Platz. Auf einer Kommode bei der Tür war eine Elektrokochplatte, daneben ein paar Töpfe, Pfannen und eine italienische Espressokanne. Auch bei geschlossener Tür war der Lärm aus den anderen Abteilen zu hören. »Dabei habe ich noch Glück«, sagte der Geringste, »weil das ein Eckabteil ist. Neben mir wohnt eine Angolanerin. Die höre ich nur am Abend, wenn sie sich herausputzt. Da dreht sie immer eine merkwürdige Musik auf, mit Stimmen und Trommeln. Heute ist sie schon fortgegangen.«
Er zog unter der Tischplatte eine Bierkiste hervor und teilte die Flaschen aus. Er sagte: »Jetzt schreien wir einmal alle gemeinsam: Gusch!«
Er gab, mit der Bierflasche in der Hand, den Einsatz. Da verstummten die Stimmen für eine Weile.
»Damit kann man sie noch beeindrucken«, sagte er. »Früher hatten sie auch noch die Türen offen. Ich habe auch meine Tür geöffnet und das Horst-Wessel-Lied gespielt. Die Serben kamen heraus und schrien herum. Ich drehte die Platte noch lauter auf. Die Serben wollten zu mir herein und die Musik abstellen. Da habe ich das Brotmesser genommen und mich zur Tür gestellt. Schließlich waren alle Kellerbewohner auf dem Gang. Ich drehte das Horst-Wessel-Lied ab und erklärte ihnen, daß es mich stört, wenn sie ihre Türen geöffnet haben. Am nächsten Tag waren die Türen wieder geöffnet. Ich spielte wieder das Horst-Wessel-Lied, und siehe da, sie wurden nacheinander geschlossen. Das habe ich jeden Tag wiederholt, so lange, bis sie gelernt hatten, daß man bei uns die Türen schließt.«
Die Kellerabteile waren etwa zehn Quadratmeter groß. Sie wurden von bis zu vier Personen bewohnt, die in Stockbetten übereinander und mit Matratzen auf dem Boden schliefen. Nur die rumänische Familie mit ihren vier Kindern hatte zwei Abteile.
»Das ist alles eine jämmerliche Bagage«, sagte der Geringste. »Die Negerin nebenan geht für drei Groschen ficken, der Rumäne schickt seine Horde betteln, die zweite Negerin putzt irgendwo. Ihr Mann sitzt den ganzen Tag herum und läßt sich von den beiden Kindern bedienen. Die sind über Frankreich zu uns gekommen. Die ältere Tochter wäre sicher schon schulreif. Die zwei Serben sind besoffene Widerlinge, die nichts anderes im Schädel haben, als die Angolanerin zu ficken. Einmal, spät in der Nacht, dürfte es ihnen im Waschraum gelungen sein. Jedenfalls hat es sich danach angehört. Wovon sie leben, habe ich nicht rauskriegen können. Manchmal sind sie ein paar Tage weg. Dann kommen sie zurück und spielen die Starken. Wenn ihnen danach ist, verdreschen sie den Bosnier. Der ist, außer mir, der einzige, der legal hier lebt. Er hat dauernd Durchfall. Kommt von der Arbeit heim und verscheißt das Klo. Ein armer Hund, der seine ganze Familie im Krieg verloren hat. Irgendwann wird er die Serben umbringen. Wirklich gefährlich sind nur die beiden Ägypter und der Araber. Denen geht es um mehr als ums Überleben. Sie stecken immer zusammen, trinken nicht. Mehrmals am Tag sieht man sie beten. Sie gehören dem Ausländerhilfsverein an. Der Angolanerin haben sie HURE auf die Tür gesprüht. Ich weiß, daß sie es waren, denn ich war noch wach.«
Wir tranken noch ein zweites Bier. Dann losten wir mit Streichhölzern aus, wer beim Gürtelputzen der erste sein sollte. Das Los fiel auf den Bladen. Er schien davon nicht begeistert zu sein, aber er sagte nichts. Wir zogen sofort los. Für den Anfang wollten wir uns auf jüngere Ausländer konzentrieren, auf Burschen im Alter von fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahren.
Draußen wurde es eben dunkel. Der Verkehr hatte nachgelassen. Man sah kaum mehr Lastautos. Wir klopften dem Bladen auf die Schulter, dann trennten wir uns, blieben aber in Sichtweite. Ein paar gingen voraus, ein paar zum äußeren Gürtel, auf der anderen Seite der Stadtbahnbrücken. Feilböck und ich folgten dem Bladen in größerem Abstand, aber so, daß wir ihn immer sehen konnten. Wir gingen den Lerchenfelder Gürtel entlang bis zum Hernalser Gürtel. Dort schien erstmals alles zu stimmen. Aus einem Auto stieg ein dunkelhäutiger Mann aus. Der Blade ging auf ihn zu. Doch da kamen aus einem Haus gleich neben ihm Menschen heraus, und der Blade ging weiter.
Es dauerte eine Weile, bis er wieder einem einzelnen begegnete. Jede Menge ausländische Familien waren auf dem Heimweg, zwischendurch auch Einheimische, aber irgendwann kam der Geeignete. Er schlenderte daher, die Hände in den
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