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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Aktivitäten dieser Gruppe? Wer hat Hinweise auf den Aufenthalt eines gewissen Karl Feilböck? Vermutlich kurze schwarze Haare, ca. 185 cm, ca. 25 Jahre, schlank. Gefahr in Verzug. Fernschreiben folgt.«
    So etwa hat dieser Funkspruch gelautet. Er war kaum zu Ende, da begann auch schon der Fernschreiber zu rattern. Ich ging hin und las beim Ausdruck mit. Ich lese und lese, plötzlich trifft mich fast der Schlag. Als besonderes Kennzeichen war angegeben: »Dem Gesuchten fehlt der kleine Finger der rechten Hand.«
    »Das darf doch nicht wahr sein«, rief ich meinem einführenden Kollegen zu. »Wir laufen über ein Jahr mit einem Finger herum, die Herren wissen, wem er gehört, lassen uns aber blöd sterben. Sagt Dir der Name Feilböck etwas?«
    Mein einführender Kollege schmückte gerade die herabhängenden Kabel im Aufenthaltsraum mit Faschingsgirlanden. Er konnte sich an den Namen Feilböck ebensowenig erinnern wie ich. Da die Fahndung nach einer Gruppe, die sich angeblich Die Entschlossenen nannte, offenbar auf Angaben von Feilböck beruhte, Feilböck aber selbst gesucht wurde, konnte das nur heißen, daß die Kollegen vom Sicherheitsbüro den Fingerlosen schon einmal gehabt hatten, ohne uns etwas davon mitzuteilen. Mein einführender Kollege sagte: »Ruf sie an, und frag sie, ob ihnen noch zu helfen ist.«
    Der Journaldienst schnappte das Fernschreiben. Er lief zu den Kojoten hinaus. Wir hörten ihn schreien und herumschlagen. Einmal brüllte einer der Männer laut auf. Aber sie konnten ihm offenbar nicht weiterhelfen.
    »Macht endlich Euer Protokoll«, sagte er, als er zurückkam. »Ich kann dieses Gesindel nicht mehr sehen.«
    Eine halbe Stunde später kam eine Durchsage. Wir schrieben gerade das Protokoll. Die drei Kojoten hockten auf einem aus Zimmerböcken und Brettern errichteten Maurerpodest entlang der Wand, mein einführender Kollege und ich saßen mitten im Kabelsalat hinter dem in die Mitte gerückten Schreibtisch. Da dröhnte plötzlich der Zimmerlautsprecher des Zentralfunks: »Achtung, Achtung. Alle Dienstleiter sofort in die Rossauer Kaserne!« Alle paar Minuten »Achtung, Achtung«. Das war über Jahre hinweg dieselbe Stimme, so, wie ich sie Ihnen jetzt vorgemacht habe. Immer begann es mit diesem doppelten »Achtung, Achtung«.
    Mein einführender Kollege sagte: »Geht die Scheiße schon los?« Das letzte Mal, daß alle Dienstleiter in die Rossauer Kaserne beordert wurden, lag lange zurück. Das war beim Überfall von Terroristen auf das OPEC-Gebäude. Wir drehten den Fernsehapparat an. Nichts. Wir horchten auf die Radionachrichten. Nichts. Bei uns war zu dieser Stunde mein einführender Kollege Dienstleiter, da die anderen schon nach Hause gegangen waren. Er sagte zu mir: »Du kommst mit!«
    Der Journaldienst protestierte: »Erst, wenn er das Protokoll fertiggeschrieben hat. Ihr könnt mich hier nicht allein sitzen lassen.«
    »Mach das Protokoll selber fertig«, sagte mein einführender Kollege.
    Der Journaldienst meinte: »Aber ich war doch nicht dabei.«
    »Ist doch egal«, sagte mein einführender Kollege. »Erregung öffentlichen Ärgernisses, Widerstand und Beleidigung der Staatsgewalt – aber nichts davon richtig, denn Du mußt sie ohnedies laufenlassen. Dann schickst Du die Burschen fort und kannst arschficken, bis Dir der Klöppel raucht.«
    Der Journaldienst streckte den Mittelfinger in die Höhe.
    Die Frau war bislang unbeteiligt auf dem Maurerpodest gesessen. Plötzlich hob sie den Kopf. Sie sagte: »Wenn mich eines von euch Nazischweinen angreift, beiße ich ihm den Schwanz ab.«
    »Gusch!« rief der Journaldienst, »sonst schiebe ich dir nacheinander alle deine Hustensaftflascherl in den Arsch, bis dir die Nase tropft.«
    Jetzt schauen Sie nicht so geschreckt! Wir hatten damals diese Ausdrucksweise drauf. Das war ganz normal. Halt ein etwas freierer Umgangston. Heute ginge das nicht mehr. Da würden sich sofort die Kolleginnen aufregen. Nach der Katastrophe haben wir auf allen Dienststellen Frauen bekommen. Aber damals waren wir noch unter uns.
    Mein einführender Kollege und ich holten nach der Durchsage unsere Uniformmäntel aus dem Spind und verließen das Wachzimmer.
    In der Rossauer Kaserne wurden wir in den Vorführraum beordert. Insgesamt waren es so an die hundert Polizisten, die auf den Klappsesseln Platz nahmen. Der Raum füllte sich von hinten nach vorne. Die ersten drei, vier Reihen blieben frei.
    Als der alte Sicherheitsdirektor und Major Leitner hereinkamen, wurde es

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