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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Tier und der Lügenprophet sind; und sie werden gepeinigt werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit.
    Nach der Totenmesse kochten wir gemeinsam das Festmahl. Wir hatten ja eineinhalb Tage fast nichts gegessen, nur Bier getrunken. Der Geringste zwischendurch auch immer wieder Kaffee. Das war seine Art. Nach jedem Bier trank er eine Tasse starken Kaffee, auch im Schießkeller, wenn er seine Listen schrieb. War das Wetter gut, bereiteten wir das Festmahl im Hof zu. Druckeberger hatte einen großen Grill gebaut. Hin und wieder kaufte er von einem Bauern der Umgebung ein Lamm. In Rappottenstein aßen wir nur Lebensmittel, die direkt von den Bauern kamen. Wenn sie etwas Besonderes für uns hatten, riefen sie uns an. Am späten Sonntagnachmittag, nach dem Festmahl, fuhren wir wieder nach Wien. Druckeberger und der Professor blieben meist zurück. Manchmal auch Feilböck.
    Ich war vielleicht zwei Monate bei der Gruppe, da beschlossen wir, endlich zur Tat zu schreiten. Wir hatten anhand von Videos verschiedene Nahkampfmethoden studiert und überlegt, welche am ehesten für uns in Frage kämen. Jeder sollte seine eigene Handschrift finden. Manchmal unterbrachen wir auch Videovorführungen und stellten im High-Tech-Raum bestimmte Kampfsituationen nach, um herauszubekommen, ob sie auch in der Praxis etwas taugten. Der Blade und der Polier schworen auf ihre Muskelkraft, andere wollten sich lieber bewaffnen. Ich kaufte mir ein Springmesser. Der Lange besorgte sich Chaku-Hölzer. Bevor wir gemeinsame Aktionen planten, sollte sich jeder im Kampf bewähren.
    Eines Abends trafen wir uns in der Behausung des Geringsten. Der Polier, der Blade und ich waren nach der Arbeit zusammengeblieben und hatten im Café Rainer noch ein paar Bier getrunken. Dann fuhren wir mit der 18er Linie der Straßenbahn zur Endstation am Neubaugürtel. Das Trottoir auf der inneren Seite des Gürtels lag noch in der Sonne. Die Fenster der Parterrewohnungen waren geöffnet. Dahinter wohnten meist ausländische Familien. Die Vorabendprogramme der Fernsehapparate konnten die auf drei Fahrstreifen vorbeidonnernden Lastautos kaum niederschreien.
    Der Blade sagte: »Da vorne, wo die Bogenbrücken der alten Stadtbahn beginnen, wohnt Joe.«
    Das Haus war grau und verschmutzt, wie alle anderen entlang des Gürtels. Wir gingen ein paar Stufen ins Souterrain hinab, und ich sah erstmals jenen Gang, von dem immer wieder die Rede war. Auf kreuz und quer gespannten Schnüren hing Wäsche zum Trocknen. Wir mußten uns an den Strumpfhosen, Hemden und Tüchern im Gänsemarsch vorbeischlängeln. Massenweise standen Schuhe herum, auch Fahrräder, überquellende Mistkübel und leere Kartons. Neben einem ausgedienten Kühlschrank lehnte eine Matratze an der Wand. Aus den Abteilen heraus hörte man mehrere Fernsehprogramme gleichzeitig. Dazu ein Durcheinander von Stimmen in fremden Sprachen. Auf einer Seite weinte ein Kind, auf der anderen stritten zwei Männer. Es roch nach Schimmel und ranzigem Fett, nach Gewürzen, Waschpulver und Schweiß. Vor einer Tür auch nach Babyscheiße. Dort lag eine zusammengeknüllte Windel. Vom Ende des Ganges her hörten wir unsere Kameraden laut auflachen. An den unlackierten Bretterverschlägen und an den Vorhängeschlössern konnte man erkennen, daß die Wohnungen in Wirklichkeit Kellerabteile waren. Mir fiel ein großer heller Fleck auf. Hier war eine Aufschrift weggeschrubbt worden, die man aber noch entziffern konnte: HURE.
    Der Geringste öffnete die Tür. »Dann kann es ja losgehen«, sagte er. Die anderen prosteten uns mit offenen Bierflaschen zu. Feilböck saß auf einem Stuhl, die anderen auf dem Bett. Während wir uns dazusetzten, sagte Druckeberger: »Pandabär wird alt. Sie haben ihn beim Organisieren erwischt, weil er vergessen hat, den Magnetcode zu entschärfen.«
    »Und was ist passiert?« fragte ich.
    »Gar nichts«, antwortete Pandabär. »Ich habe mich herausreden können. Aber sie wollen mich ab jetzt jeden Tag beim Fortgehen kontrollieren.«
    Darauf der Polier: »Laß sie kontrollieren. Joe wird ihnen die Bude ausräuchern.«
    Auf den ersten Blick enthielt die Kammer vor allem Bücher. Der Tisch war eine auf zwei Schubladenkästen aufliegende Spanplatte. Darauf stand, inmitten von aufgeschlagenen Büchern, Manuskripten, Kaffeetassen und Gläsern, ein Computer. Neben dem Tisch stand ein kleiner Ölofen. Zwei Ölkanister für je zwanzig Liter standen unter dem Tisch, ganz nahe an der Wand. An einem hing der Nachfüllstutzen.

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