Opfer fliegen 1. Klasse
Abenteuers.
Internet-Duelle sind was für blutleere Muskelschwundtypen mit fuffzig Dioptrien
und ‘nem Computervirus in ihrem Hormonsystem. Verstehst du, worauf ich
hinauswill?“
„Nein. Ich weiß nur, daß eine
Dioptrie die Maßeinheit ist für die Brechkraft von optischen Linsen.“
„Mann, Patrick. Es geht um den
Geist, der unserem Duell um Nadja innewohnen soll.“
„Um mutwillige Gefahr?“
„Genau. Die Ritterturniere
waren härter, blutiger und lebensbedrohlicher als alles Vergleichbare von
heute. Die ultimativen Käfigfights ohne Regeln sind dagegen ein Witz. Die
Ritter hätten ja auch würfeln können um das minnigliche Fräulein mit dem güldenen
Haar.“
„Nadja ist dunkel.“
„Die Burgfräuleins waren
sicherlich nicht ausschließlich blond. Sonst hätte man die Blondinenwitze schon
damals erfunden. Aber davon liest du nichts bei Walther von der Vogelweide und
den anderen Chronisten aus der Zeit.“ Patrick lachte. „Wir würfeln also nicht
um Nadja, sondern suchen die Gefahr. Bewußt machen wir’s uns schwer. Indem wir
erst dann einbrechen, wenn unsere Onkels daheim sind.“
„Außerdem müssen sie die Safes
öffnen.“
„Jetzt habe ich dich
verstanden“, erwiderte Patrick. „Der Kopfmensch in mir sagt zwar, es ist
ziemlich idiotisch. Aber der liebende Verehrer in meiner Brust stimmt dir zu.
Für Nadja müssen wir was riskieren. Du bei Küchen-Schröder und ich bei deinem
Onkel Helmut Werfall, dem Juwelier im Ruhestand.“
„Jetzt, Patrick, sprechen wir
dieselbe Sprache.“
„Wegen des Revolvers, den dein
Onkel hat, ist mir eine Idee gekommen.“
Kurt Werfall, der seinen Freund
in die Todesfälle schicken wollte, hielt den Atem an. „Nämlich?“
„Du sagtest, es sei ein
Tränengas-Revolver. Gut! Ich werde ganz einfach eine Taucherbrille aufsetzen.
Wenn sie wasserdicht ist, ist sie sicherlich auch luftdicht. Außerdem ist das
eine tolle Maskierung.“
„Geniale Idee!“ lobte Kurt und
dachte: Eine kugelsichere Weste — das ist es, was du brauchst.
Sie redeten noch eine Weile
über nichtige Dinge, wünschten sich gegenseitig eine Gute Nacht und legten dann
auf, um vor dem Einschlafen noch an Nadja zu denken.
10. Kein Samstag wie jeder
andere
Tim erwachte. Es war
Samstagmorgen. Grelles Sonnenlicht fiel durch die Vorhänge herein. Aber das
besagte nichts über Sonnenstand und Tageszeit, denn das Fenster der Bude
,Adlernest 1 weist nach Osten. Im Juni steht die Sonne bis ca. 10.45
Uhr genau vis-à-vis, und die Helligkeit in dem Zwei-Schüler-Verschlag nervt manchmal
schon ab fünf.
Tim lag auf der linken Seite
und blinzelte zum Nachttisch, wo der Wecker steht.
6.22 Uhr.
Er war wieder mal zu früh
aufgewacht — zu früh jedenfalls für einen Samstag. Jetzt ging noch nichts.
Seine Freunde schliefen. Wie tief Klößchen schlief, konnte er hören. Offenbar
träumte der Budenkamerad von schmelziger Schokolade, denn er grunzte behaglich,
als hätte er den Mund davon voll.
Gaby, dachte Tim, dreht sich
jetzt auf die andere Seite, wird aber nicht wach, träumt sicherlich auch — hoffentlich
von keinem Typ, sondern was Angenehmes. Also von mir! Oskar, der auf ihrem
Bettvorleger liegt, beobachtet sein Frauchen für einen Moment, wedelt, seufzt
und bettet dann wieder die Hundenase zwischen die Pfoten, um weiterzuschlafen.
Tim knäulte mit seinem
Kopfkissen herum und wälzte sich mehrmals. Dann hob er lauschend den Kopf.
Fern im Haus waren morgendliche
Laute. Typische Acht-Uhr-Laute wie das Zuklappen von Toilettentüren, das
Fluppen der Schwingtür zum Waschsaal, gelegentliches Lachen eines gutgelaunten
Früh-Typs und sogar Radiomusik.
Aber doch nicht um diese Zeit
an einem Samstag! dachte Tim und sah wieder zum Wecker.
6.22 Uhr.
Die Zeiger standen wie eben.
Es war ein Leise-Tick-Wecker,
aber jetzt tickte er überhaupt nicht.
Tim schwang die Beine aus dem
Bett, griff zur Armbanduhr und stellte fest: Es war Viertel nach acht.
„Klößchen! Heh! Aufstehen!“
Tim öffnete die
Fenstervorhänge, und der Tag drang herein, als hätte er startbereit auf das
Zeichen gelauert. Die Sonne stand bereits hoch. In den Bäumen hatten die Vögel
ihr Morgenlied beendet und probten jetzt eine Vormittags-Sinfonie, die textlich
von Nestbau und Futtersuche handelte.
„Was ist los?“ Klößchen gähnte.
„Aufstehen!“
„Weshalb?“
„Es ist gleich mittag, und wir
haben verdammt viel vor. Also beweg deine träge Masse. Wenn du noch lange
wartest, kannst du statt zu frühstücken
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